Frisch lackiert äh kolumnisiert: Kunst am Nagel.
Meine Nägel sind rosa. Naturrosa. Naturaltrosa, um genau zu sein, mit feinem weißen Naturrand. Sie sind kurz geschnitten und so unauffällig, dass es schon wieder auffällt. Damit gehöre ich zu einer aussterbenden Spezies, denn auf meinen Fingern finden sich weder grinsende Minions noch Palmen im Sonnenuntergang. Selbst die Weltmeisterschaft musste die deutsche Fußball-Elf ohne meine Nägel in Nationalfarben bestehen! (Gut, dass sie gewonnen hat – ich könnte es mir sonst nie verzeihen!)
Sehr, seeehr lang ist es her, da genügte es tatsächlich, die Nägel sauber zu halten und rund zu feilen. Streber schoben noch die Nagelhaut zurück und polierten auf Glanz. Klar gab es auch Nagellack: Knallrot (für die Partygirls, die jemanden abschleppen wollten), Perlmuttrosa (für stille Wasser und Wunsch-Schwiegertöchter) und Klarlack (für alle, die wollten, aber nicht konnten). Das war’s. Die Welt war einfach, Nägel lackieren auch.
Bis die Beautyindustrie den Nagel zur Kunstform erhob. Pop-art für die breiten Massen. Wer es nicht ins Museum schafft, schafft es wenigstens ins nächste Nagelstudio. Und zu Instagram: Über 18 Millionen Bilder spuckt der Hashtag #nailart aus. Und was für Kunstwerke: lächelnde Pandas, knutschende Mickeymäuse, Schneewittchen und die sieben Zwerge (keine Ahnung, was aus den restlichen zwei Fingern wurde!) – ganze Romane werden erzählt! Wichtigstes Element: der Glitzer. Hier noch ein kleines Swarovski-Steinchen, da ein schlichtes Pailletten-Muster, ein putziges Glitzerschleifchen auf spitzgefeiltem Gel – mehr ist in der Nagelkunst unbedingt mehr. Und über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten.
Mein einziger Versuch am regen Kunstbetrieb teilzunehmen geriet übrigens zum Fiasko: Am Eingang des Nagelstudios fiel ich infolge der starken Acryldämpfe in Ohnmacht. Es ist halt nicht jeder für die Kunst geboren.
(Die Kolumne erschien heute in der Print- und in der Online-Ausgabe der WELT KOMPAKT.)
10 Kommentare
Liebe Susanne,
zu den zwei Fingern bei Schneewittchen fällt mir natürlich sofort ein, dass die Berge irgendwo drauf müssen und natürlich der Glassarg mit Prinz.
Aber ansonsten danke für dieses ehrliche Bekenntnis - ich bin gaaanz gaaanz selten auch mal in der Lage, Lack aufzutragen.
Und froh, dass ich vielleicht doch nicht die Ausnahme bin. Und wenn, dann hält der eh nur ... ein paar Stunden unversehrt. Und kommt dann wieder runter.
Blöde Sprüche dazu fallen mir genug ein. Drum ist es schön, mal einen anderen Blick darauf zu bekommen dank Kolumne.
Lackfreie Grüße
Su
Als Teenager und Twen - also Mitte der 70er- bis in 80er- Jahre - habe ich wild mit Nagellacken experimentiert. Habe Autoreparaturlack aus der Werkstatt und Glitzerlack aus England eingesetzt, um nur ja aufzufallen. Ich hatte echte Mörderkrallen in den abartigsten Farben. Später arbeitete dann eine Verwandte bei einem Kosmetikhersteller und kam günstig an Markennagellacke. Da gab’s dann kein Halten mehr.
Die Lackarbeiten ließen nach, als ich einen eigenen Haushalt hatte. Das war einfach nicht kompatibel. Heut gibt’s keine Mörderkrallen mehr und nur noch ab und zu ein bisschen Farbe.
Bei schrillen irisierenden Lacken juckt es mich manchmal immer noch ... aber bis jetzt hab ich widerstanden. Viecher und Steinchen auf den Nägeln oder gar so Plastik-“P*rnoschaufeln” hätten mir vermutlich als Teenie gefallen ... heut find ich das eher ein bissi vugär.
Oh, wow. Ich wusste ja noch nicht einmal, dass es für dieses Nagelgedöns einen Namen gibt. Nail-Art also. Aha.
Ich bin auch so ein Natürlichkeitsfan. Weniger ist bei mir mehr. Wenn ich mir dann meine Tochter anschaue, die regelmäßig zum Nagelstudio muss, da da wieder etwas rauswächst und nicht mehr gut aussieht… Ich mache mich nicht zum Sklaven meiner Nägel. Aber das muss jede für sich selbst entscheiden. :-)

am Samstag, 25. Juli 2015 um 12:30 Uhr
Neulich fragt eine Kundin:“Wer macht denn Ihre Nägel?”- ich stutze und sage:“Ich.“Die Kundin verblüfft: “Ach, das sind Ihre eigenen Nägel!?!?”