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“Irans Töchter”. Meine Buchempfehlung zum Weltfrauentag 2025

Gestern war Weltfrauentag und ich nehme diesen Tag zum Anlass, euch ein Buch vorzustellen, das schon seit einem Jahr auf meinem Rezensionsstapel wartet. Im Grunde schon seit dem Weltfrauentag 2024. Irgendwie passte es nie – um es in einem Nebensatz unterzubringen, fand ich das Buch zu besonders, und so schob ich es von Woche zu Woche, von Monat zu Monat … kennt man ja. Und das obwohl das Buch nicht nur wunderschön gestaltet ist, sondern auch wirklich Spannendes zu erzählen hat. Geschichten über Frauen, erzählt von Frauen, für Frauen – perfekt also für den Internationalen Frauentag.

„Irans Töchter“ heißt dieses Buch. Der Untertitel „Über Mut, Heimat und die Schönheit des Lebens“ verrät bereits ein wenig, worum es in diesem beeindruckenden und beindruckend schönen Buch geht. Leyla Piedayesh als Herausgeberin, Stefanie von Wietersheim als Autorin und Neda Rajabi als Fotografin porträtieren 20 in Deutschland lebende Frauen mit iranischen Wurzeln, darunter Künstlerinnen und Schauspielerinnen, aber auch Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen, eine Politikerin und andere mehr. Manche sind im Iran geboren, kamen in frühen Jahren nach Deutschland und sind hier aufgewachsen, andere sind in Deutschland geboren, haben dann einen Teil ihres Lebens im Iran verbracht oder haben immer in Deutschland gelebt. Gemein ist ihnen, dass ihre Familien oder zumindest ein Elternteil aus dem Iran stammen. In „Irans Töchter“ erzählen sie von ihrer Herkunft, von ihren Wurzeln, und auch davon, wie sie nach Deutschland gekommen sind: Da sind abenteuerliche Geschichten von überstürzten Fluchten mit falschem Pass über diverse Länder dabei, aber auch die von Eltern aus wohlhabendem Bildungsbürgertum, die zum Studieren nach Westberlin kamen und nach dem Studium wieder nach Teheran zurückkehrten. Erst als das Regime im Iran immer härter zugriff, reisten die Töchter wieder nach Deutschland aus. 

Es ist ein buntes Buch, gestalterisch wie inhaltlich. Freiheit und Frauenrechte sind wiederkehrende Themen in „Irans Töchter“. Die Architektin Apameh Schönauer etwa erzählt von ihrer Mutter, die im Iran für ihre Töchter keine Zukunft mehr gesehen habe. 1991 kamen sie nach Deutschland. Oder die Geschichte von DJane Paramida, deren Mutter mit ihr unehelich schwanger war, deshalb über die Türkei nach Deutschland floh und hier um Asyl bat. Nargess Eskandari-Grünberg, Bürgermeisterin von Frankfurt, saß wegen ihres Protests gegen die Machthaber Anfang der Achtziger Jahre anderthalb Jahre in einem iranischen Gefängnis und reiste danach nach Deutschland aus. Autorin Isabel Nasrin Abedi prangert an, dass Mädchen und Frauen im Iran weder öffentlich tanzen noch singen dürfen. Nicht zuletzt war die Protestbewegung „Frau ­– Leben – Freiheit“, die im Herbst 2022 bis nach Deutschland schwappte und viele Exil-IranerInnen mitriss, der Auslöser für das Buch, so erzählt es die Herausgeberin im Vorwort.

Es ist aber auch ein Buch voller Schönheit und Lebensfreude – und der Sehnsucht nach dem fernen Herkunftsland: Blättert man durch die Seiten, fühlt man sich ein wenig wie in Tausendundeine Nacht. Wie Sheherazade. Viele der Frauen haben Kunst, Kultur und Design zu ihrem Beruf gemacht, das spiegelt sich auch auf den üppigen Buchseiten wider. Rezepte machen Lust, die persische Küche zu kosten oder gar nachzukochen. Man erfährt aber auch viel über das (frühere) Leben im Iran, und bedauert es bei der Lektüre ein wenig, dass wir wohl wenig bis keine Gelegenheit haben werden, dieses Land und seine Kultur vor Ort kennenzulernen (meine Eltern bereisten den Iran vor vielen, vielen Jahren, meine Mutter schwärmt bis heute davon).

 

Einen kleinen Kritikpunkt habe ich bei aller Begeisterung dennoch: Alle 20 Frauen leben ein privilegiertes Leben. Ich hätte mir gewünscht, dass auch andere, weniger privilegierte Töchter Irans in diesem Buch zu Worte kommen und porträtiert worden wären. Frauen, die nicht Designerinnen, Architektinnen und Journalistinnen sind, sondern in Bäckereien Brot und Semmeln über den Verkaufstresen reichen, in der Pflege arbeiten oder als Friseurinnen ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch über ihren Blick aufs Leben im Iran und in Deutschland hätte ich gerne gelesen, auch das hätte mich interessiert. 

Ansonsten sollte uns – nicht nur am Weltfrauentag, da aber vielleicht besonders – das entrechtete Leben von Frauen im Iran, in anderen muslimischen Ländern, vor allem aber auch in Afghanistan ein Mahnmal sein. Gelegentlich denke ich an Bilder von der Universität von Kabul aus den 1970er Jahren, als dort nicht nur Frauen studierten, sondern in Hosen und kurzen Röcken unterwegs waren. Frauenrechte, Gleichberechtigung und Gleichstellung sind kein bisschen selbstverständlich, auch nicht in Deutschland. Vor allem aber müssen wir Frauen wachsam und wehrhaft sein, wie schnell fundamentale Frauenrechte wieder eingestampft werden, das kann man live ja gerade in den USA beobachten. 

Weltfrauentag sollte nicht nur einmal im Jahr sein – sondern jeden einzelnen Tag.

 

 

Informationen zum Buch

Irans Töchter. Über Mut, Freiheit und die Schönheit des Leben.

Von Leyla Piedayesh und Stefanie von Wietersheim

Erschienen bei Callwey im März 2024

Das Buch gibt es überall, wo es Bücher gibt.

***

Fotoverwendung für diesen Beitrag mit Erlaubnis von Callwey.

 

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Meine nächsten Lesungen:

Ich würde mich total freuen, dich zu sehen!

→ 13. März 2025 ab 19.30 Uhr in (67105) Schifferstadt in der Stadtbücherei Schifferstadt (aus „Auf das Leben!“). Anmeldung direkt in der Bücherei oder per Mail an stadtbuecherei@schifferstadt.de

→ 4. April 2025 in (73117) Wangen (Kreis Göppingen) in der Gemeindebücherei Wangen (aus „Auf das Leben!“) Anmeldung in der Bücherei direkt oder per Mail.

Weitere Lesungstermine für 2025 findest du hier.

Weil ich das immer wieder gefragt werde: Ja, ich komme gerne auch in deine Region.

ABER: Ich brauche einen Veranstalter, der mich einlädt und mein Honorar zahlt. :-) Frag aber gerne in deiner Lieblingsbuchhandlung nach oder in einer Bücherei, VHS oder Kunstverein etc. Ich würde mich sehr freuen!

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2620 5 Texterella liest. 09.03.2025   buchempfehlung, internationaler frauentag, texterella liest, weltfrauentag

5 Kommentare

Sieglinde
am Sonntag, 09. März 2025 um 17:38 Uhr

Ein wunderschönes Buch - und ein Buch, das mir persönlich auch zu einseitig und zu schön daherkommt.
So sehr ich mich freue für die Frauen, die nun hier sind und ihr Leben für sich erfolgreich gestalten, so bitter finde ich das Leben, das Frauen derzeit im Iran führen müssen. Kaum Selbstentfaltung, kaum Freiheit und kaum Presse, die darüber berichtet.
Ich habe das Buch ja nicht gelesen, aber ich würde mich sehr freuen, wenn dort vorkäme, wie die Protagonistinnen Frauen im heutigen Iran unterstützen. Oder habe ich da was überlesen?
Weltfrauentag ist jedenfalls nix von gestern. Wir hier müssen aufpassen das Erreichte zu erhalten und in vielen Ländern ist es eh noch lange nicht soweit, dass Frauenrechte überhaupt als Menschenrechte angesehen werden.
Da werden noch viele Weltfrauentage kommen, wo wir das beklagen werden. Leider.
Herzlich
Sieglinde

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Susanne Ackstaller
am Samstag, 15. März 2025 um 22:21 Uhr
Hallo liebe Sieglinde, es ist kein Schwerpunkt dieses Buches, aber es geht durchaus auch um die Situation der Frauen im Iran heute. Und ja, ich gebe dir völlig Recht: Wir müssen wachsam und wehrhaft sein ... Liebe Grüße!

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Beate Kuhn
am Sonntag, 09. März 2025 um 19:07 Uhr

Liebe Susi,
Danke für den Tipp, das Buch werde ich mir auf jeden Fall besorgen. Auch wenn es sich eher um Ausnahmen handelt. Ich glaube der Grundgedanke, dass Frauen zusammenkommen, zusammenhalten und sich gegenseitig unterstützen und stärken ist überall auf der Welt wichtig. Aber leider nicht selbstverständlich.
Beate

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Christiane
am Montag, 10. März 2025 um 09:35 Uhr

Liebe Texterella,
ich möchte Ihrem Beitrag ein passendes Zitat von Annemirl Bauer aus dem wirklich sehr sehenswerten Film „Die Unbeugsamen 2 - Guten Morgen, ihr Schönen“ hinzufügen :
„Frauen, wenn wir heute nichts tun, leben wir morgen wie vorgestern.“

In diesem Sinne: Einen guten Start in die neue Woche !
Christiane

 

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Sabine Verburg
am Dienstag, 11. März 2025 um 15:50 Uhr

Was für ein schöner Beitrag zum 8.März.
Ein passendes Buch denke ich. Uns sicher wie du auch schreibst aktuell zu der Situation in den USA über die wir uns alle sehr viele Sorgen machen.
Danke wieder

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