Texterella auf Reisen.
Dreieinhalb Tage Venedig und die schönste Workation, die man sich vorstellen kann.
Als ich mich kurz nach der Geburt meiner Tochter aus einem sicheren Angestelltenverhältnis heraus selbstständig machte, waren die Reaktionen einhellig entsetzt: „So einen Job kriegst du nie wieder!“ „Denk an deine Absicherung!“ „Das wirst du bereuen! Ganz sicher!“
Bereut habe ich diese Entscheidung in den letzten 22 Jahren kein einziges Mal. Im Gegenteil: Ich bin nach wie vor dankbar, dass ich diesen Sprung ins Ungewisse trotz aller Unkenrufe gewagt habe. Denn sonst hätte ich die letzte Woche wohl eher nicht in Venedig, sondern im überhitzten Büro eines Industrieunternehmens verbracht. Statt echt italienischem Cappuccino mit Blick auf eine der tausend Brücken Venedigs gäb’s lauwarmen Filterkaffee mit (worst case!) Kondensmilch und statt mittags in einer kleinen Trattoria Bruschetta und Caprese zu genießen, hätte ich in einer tristen Kantine die Auswahl zwischen paniertem Fisch und Sauerbraten.
Was für ein Glück, dass ich damals auf niemand anderen gehört habe als mich selbst und nur meinem Herzen und Bauchgefühl gefolgt bin. Denn nur deshalb konnte ich am letzten Montag kurz vor Mittag gemeinsam mit zwei jungen südamerikanischen Damen (unseren ehemaligen Austauschschülerinnen, die uns aktuell besuchen), meinem jüngsten Sohn und einem seiner besten Freunde am Münchner Hauptbahnhof in den EC85 – und knapp sieben Stunden später in Venezia Santa Lucia, direkt am Canal Grande, wieder aussteigen. (Über meine Zugreise nach Venedig im letzten Herbst habe ich hier geschrieben.)
Während die Jugend dreieinhalb Tage durch Venedig stromerte, die Biennale besuchte und eine Free WalkingTour nach der anderen machte, saß ich in unserem Appartement am Küchentisch, tippselte fröhlich vor mich hin und verließ die Wohnung nur morgens (Frühstück holen und einen Cappucino trinken!) und abends, wenn es langsam kühler wurde. Und hab’s so sehr genossen! Vom Kanal wehten die Lieder der vorbeifahrende Gondolieri nach oben (ja, kitschig – aber so schön!), die Holzläden hielten die Hitze ab und abends trafen wir fünf uns zu Spritz, Pizza oder Pasta und dem obligatorischen Limoncello aufs Haus in unserer Lieblingstrattoria. Spätestens jetzt dürfte auch der Letzte überzeugt sein, dass ich vor 22 Jahren die richtige Entscheidung getroffen habe.
Tatsächlich ist es genau diese Freiheit, die ich an der Selbstständigkeit so liebe: Laptop und Handy einpacken und wirklich überall arbeiten können! (Zugegeben, das ist gleichzeitig der größte Nachteil: Denn tatsächlich arbeite ich auch praktisch immer und überall, denn meine elektronischen Helferlein sind fast immer dabei). So sehr ich auch mein heimisches Büro mag, überhaupt mein Zuhause, mit Mann, Katzen, dem Blick auf die Kastanie und weiter ins Ampertal – der Mix aus Arbeit und Urlaub ist einfach fabelhaft.
Ob nun mit oder ohne Laptop – ich habe für jeden ein paar Venedig-Tipps mitgebracht:
Die leckerste Pizza.: Wir waren uns einig: Die beste Trattoria in Venedig ist das „Antico Gatoleto“. Nur ein paar wenige Meter vom touristischen Trubel entfernt, liegt es recht ruhig am Campo Santa Maria Nova, einem kleinen Platz, über den abends eine leichte Brise weht. Es ist ein unkompliziertes, freundliches Lokal mit köstlichem Essen (hier sitzen nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische) und es ist bezahlbar. Kleine Anekdote am Rande: Als wir abends in unserer Wohnung ankamen, bat ich den Vermieter um eine Restaurant-Empfehlung: „Antico Gatoleto“ war die Antwort – dort gäbe es die beste Pizza und Pasta. Auf dem Weg dorthin stellte ich fest, dass es sich dabei um genau die Trattoria handelte, in der wir auch bei unserem letzten Besuch schon Stammgast gewesen waren – auch damals auf Empfehlung unserer Hausherrin!
Bellini mit Ausblick: Restaurants oder Cafés für einen aperitivo gibt es an der quirligen Promenade Riva degli Schiavoni mehr als genug. Wer es ruhiger und weniger voll haben möchte, dem empfehle ich die Terrasse des Hotels Bauer, direkt am Canal Grande und mit Blick auf die Basilica di Santa Maria della Salute auf der gegenüberliegenden Seite. Zugegeben, der Bellini (mit Champagner) kostet dort 20 Euro (mit Prosecco: 15 Euro) – aber dafür gibt es einen großen Teller Oliven, Chips und salzige Kringel dazu, damit spart man sich schon fast das Abendessen. (Dem legendären Hotel Bauer Palazzo – wie es ganz korrekt heißt – hat meine Kollegin Claudia Braunstein im letzten Herbst übrigens einen ganzen Blogbeitrag gewidmet.)
Noch mehr Aussicht – und das sogar kostenlos: Das Luxus-Kaufhaus Fondaco de Tedeschi (der Name ist eine Reminiszenz an die Niederlassung deutscher Kaufleute im 13. Jahrhundert) direkt neben der Rialto-Brücke verfügt über eine Rooftop-Terrasse, von der aus man Venedig überblicken kann. Aber Achtung: Die Öffnungszeiten der Terrasse sind kürzer als die des Kaufhauses! Dort war ich auf der Suche nach einem Mitbringsel für den Gatten nämlich hängengeblieben und stand dann oben vor verschlossenen Türen … gemein!
Free Walking Tours: Von „Free Walking Tours“ hatte ich bis vor kurzem noch nie gehört, und das, obwohl es sie laut Wikipedia schon seit 2004 gibt. Wobei: Wirklich kostenlos sind diese Touren gar nicht (Gott sei Dank! Ich hätte sonst ein furchtbar schlechtes Gewissen!), vielmehr wird freiwillig auf Spendenbasis gezahlt – je besser und interessanter die Führung, so die Idee, desto mehr verdient der Guide. Die Free Walkings Tours, ursprünglich in Berlin erfunden, gibt es mittlerweile in vielen Städten weltweit, auch in Venedig. Es empfiehlt sich, nicht zu knapp vor Beginn der Führung am Treffpunkt zu sein, denn die Anzahl der Teilnehmenden ist beschränkt. Hier gibt es einen Überblick über alle angebotenen Touren.
Buchtipp: „Ein Bauch spaziert durch Venedig“ von Vincent Klink – Empfehlung einer Instagram-Followerin. Gelesen habe ich das Buch noch nicht, der Titel klingt aber schon mal sehr vielversprechend …
Wo geht es denn für dich dieses Jahr hin? Inland oder Ausland? Oder machst du Urlaub daheim?
PS: Wen es an die Ostsee zieht, dem kann ich eine kleine feine Wohnung in Wustrow am Darss empfehlen. (Gehört mir und meinem Mann. ;-))
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Fotos: Susanne Ackstaller
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19 Kommentare
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 07:04 Uhr
Warum muss ich jetzt an unseren lustigen Abend letzten November in Venedig denken? Liebe Grüße aus Salzburg, Claudia
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 09:08 Uhr
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 08:40 Uhr
Liebe Susanne, vielen Dank für diesen schönen Venedig-Bericht. Wie schon in Berlin, werde ich wohl irgendwann auch dort auf Deinen Spuren gehen und die tollen Tipps ausprobieren. Hast Du noch einen Rat fürs Wohnen? Wart Ihr in einer Ferienwohnung, kannst Du was empfehlen? Zur Sicherheit schaue ich auch noch mal in Deinem ersten Venedig-Bericht nach, vielleicht hast Du ja da schon was empfohlen. - Und: Dass Du Deine Lebensentscheidung, selbstständig zu sein, genießt mit ein paar Nach- und vielen Vorteilen, ist wunderschön! Herzlich, Heidrun
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 09:13 Uhr
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 09:17 Uhr
Wunderbare Tipps, genau zur rechten Zeit für mich, liebe Susi. Wir werden Ende September endlich mal wieder nach Venedig reisen, besser gesagt nach Treporti und dort in einem Mobile-Home wohnen. Von dort mit dem Vaporetto nach Venedig zu schippern, darauf freu ich mich schon sehr. Diese Form des Wohnens hatten wir noch nicht und wir sind sehr gespannt.
Venedig, die Biennale und die Lagune mal ganz anders und hoffentlich entspannt. Wir haben die Räder dabei und wollen die Lagune so weit wie möglich auch damit erkunden.
Freiberuflich zu arbeiten, das ist eine sehr gute Entscheidung, wenn frau weiß, was sie will. Die letzten 22 Jahre haben Dir dies ja gezeigt und die letzten Jahre mehr denn je.
Einen schönen Sonntag wünscht herzlich, Sieglinde
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 09:31 Uhr
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 10:58 Uhr
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 09:26 Uhr
Was für ein toller Bericht! Daraufhin habe ich beschlossen, die „Venedig-Reise irgendwann mal wieder“ auf „Venedig-Reise im Oktober“ zu setzen. Danke für die Entscheidungshilfe.
Liebe Grüße
Karen
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 09:32 Uhr
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 11:30 Uhr
Hach, schön! Danke auch für den Tipp mit den Free Walking Tours UND für den Artikel in der Emotion zu Female Empowerment.
Schönen Sonntag + viele Grüße
Ilka
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 13:37 Uhr
Liebe Susanne, was für ein schöner Blog Beitrag!
So eine Reise möchte ich auch gerne machen, allerdings fehlt mir dazu eine Person, die auch Lust auf Venedig hat.
Ich war vor Jahren mit 3 Freundinnen in der Toskana für 14Tage, das war ein wunderschöner Urlaub.
Selbstständig zu sein hört sich gut an, wie dein Fall ja zeigt, allerdings kann man so etwas nur dann machen, wenn man abgesichert ist und bestenfalls einen Partner hat, der damit einverstanden ist.
Ich hätte nicht gewusst, wie ich sonst alle finanziellen Verpflichtungen, wie Haus abzahlen, Rente vorsorgen, Krankenversicherung etc. leisten hätte können.
Mit lieben Grüßen und einen schönen Sommer für dich. Edith
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 15:09 Uhr
Ach so eine schöne Venedig-Reise, da bekommt man richtig Sehnsucht….
Selbständig arbeiten erfordert schon Mut und geht auch nicht in jedem Beruf. Deine Beschreibung von Büro und Kantine sind deprimierend, geradezu gruselig. Zum Glück ist es ja nicht immer so. Aber Du hast schon Vorteile, an denen Du uns zum Glück teilhaben lässt.
Wir fahren in der ersten September-Woche nach Verona und an den Gardasee. Freue mich schon sehr!
Einen schönen Rest-Sonntag wünsche ich Dir.
Grüße aus dem sommerlich heißen Frankfurt.
Gabi
am Montag, 18. Juli 2022 um 18:02 Uhr
am Sonntag, 17. Juli 2022 um 16:22 Uhr
Liebe Susanne, ich beneide dich um deinen Mut. Gleichzeitig musste ich schmunzeln, du hast es auf den Punkt gebracht, die Situation in deutschen Unternehmen ist meilenweit vom Dolce vita entfernt und was kann schöner sein, wie Beruf und Hobby zu kombinieren. Auf meiner Wunschliste steht Venedig ganz oben und wenn ich es tatsächlich schaffe, dorthin zu kommen, werden deine wunderbaren Tipps mich begleiten. Wir unser Esstisch ist gerade mit Büchern und Kartenmaterial für Frankreich belegt. Wir wohlen mit dem Wohnmobil Richtung Atlantik, eine Kombination mit ungeplanter einwöchige Abreise, 8 Tage Reservierung, da wir uns mit Freunden treffen und dann wieder ungeplanter Heimfahrt. Aber die Aussicht lassen in mir Unruhe aufkommen und das Bauchgefühl sagt, dass es noch nicht in trockenen Tüchern ist. Da bin ich doppelt froh, dass wir im Notfall einfach wo ganz anders hinfahren könnten, z. B. auf den Darß, einer meiner Wohlfühlorte…..
am Montag, 18. Juli 2022 um 07:24 Uhr
Liebe Susanne, lieben Dank für den schönen Bericht. J, Venedig liebe ich, ebenso die Ostsee. Am Darss war ich noch nie und deine Wohnung interessiert mich sehr. Auch ich bin schon seit vielen Jahren freiberuflich tätig und genieße die Freiheit, kann dich so gut verstehe. Hab einen wundervollen Wochenstart und sei lieb gegrüßt. Herzlichst Sandra
am Montag, 18. Juli 2022 um 07:25 Uhr
Liebe Susi,
Dankeschön für den Bericht. Ich bin ja erst 1,5 Jahre in der Selbständigkeit und was ich daran so schätze, dass ich von überall arbeiten kann, wie Du.
Venedig hört sich toll an! Die Bilder machen Lust auf einen Abstechet.
Wir sind mit unserem Van unterwegs und unser Urlaub im Herbst verschlägt uns nach Gotland.
am Freitag, 22. Juli 2022 um 11:37 Uhr
Liebe Susi,
danke für die Erinnerung an Euere schöne Ferienwohnung in Wustrow. Ich habe direkt noch am Sonntag gebucht. Wir waren schon im letzten Jahr dort. Eigentlich lieben wir auch Ahrenshoop und waren dort immer im Hotel Namenlos. Aber jetzt wird es wohl immer nach Wustrow gehen…
Liebe Grüße von einer langjährigen stillen Leserin
Glückskind Petra
am Samstag, 23. Juli 2022 um 23:41 Uhr
am Montag, 08. August 2022 um 20:38 Uhr
Liebe Susanne,
ich hatte dieses Jahr das Glück, eigentlich nur “nebenbei” ein paar Stunden in Venedig zu stranden. Und es war meine Premiere. Und ich habe es genossen, einfach alleine zu Fuss die Stadt zu erkunden. Ich habe mich - natürlich entlang der Hauptlinien, ich wollte ja die Highlights nicht verpassen - ein bisschen treiben lassen und hatte das Glück, zwei Deiner Tipps zufällig zu entdecken. Das Wiedererkennen macht Freude. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob Venedig ein Overkill ist oder ob ich es nochmal sehen möchte, aber mit Deinen Bildern und Deiner Einstellung zu Deinem Aufenthalt muss ich sagen - ja, gerne wieder. Danke.