Frisch kolumnisiert.
Entfesselt – trotz Hosenträger. (Eine Oktoberfest-Kolumne.)
Wer den Bayern die Lederhosen ausziehen will, der hat derzeit die besten Chancen. Denn niemals und nirgends ist die Lederhosendichte größer als auf dem Oktoberfest – es könnte höchstens an Bayern fehlen. Vom Alpenländler bis zum Australier, vom Nordlicht bis zum Niederländer, auf der „Wiesn“ versammeln sich derzeit krachbelederte Mannsbilder aus aller Welt. Und üben sich in typisch bayrischer Lebensart. Oder dem, was man eben dafür hält.
Ich kann diese Männer ja auch verstehen: Wann sonst kann man(n) sich die hendl- oder haxn-fettigen Finger einfach an der Hose abwischen, welches andere Kleidungsstück gewinnt durch Bier-, Soßen- und, äh, andere Flecken erst seine wertvolle Patina? Wo sonst werden solche Gebrauchsspuren quasi zum Qualitätsmerkmal?! Zum Statussymbol! Reinigung? Bloß nicht! Bei einer Lederhose gehört das „Obazd is!“ zum Programm. Ja, „pflegeleicht“ wird auf der Wiesn ganz neu definiert.
Vielleicht ist es ja die Sehnsucht nach diesem wilden, ungezähmten Leben, die Millionen von Männer alljährlich in die Lederhose steigen lässt. Echte Männer – die bayrische Variante. Sich endlich mal gepflegt daneben benehmen dürfen. Einmal im Jahr offiziell die Sau rauslassen. Saufen und brunzen, was das Zeug hält, mindestens! Entfesselt – trotz Hosenträger. Und dann fürs restliche Jahr brav zurück an den Schreibtisch. Mit Seitenscheitel, Nassrasur und Doppelreiher. Same procedure, every year. Übrigens ...weil wir gerade beim Thema sind: Eine Lodenkotze hat nichts mit der Wiesn-typischen Bierunverträglichkeit zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um einen knielangen Jagd- und Funktionsumhang aus gewalkter Wolle. Typisch bayrisch halt.
Die Kolumne erschien zum Oktoberfest 2015 in der Print- und in der Online-Ausgabe der WELT KOMPAKT – ich dachte, ich hole sie mal aus der Texterella-Versenkung. Sie passt ja immer noch.
Und hier ist noch eine Wiesn-Kolumne: „Bekränzte Häupter. Viel Spaß beim Lesen!
***
Noch mehr Oktoberfest-Vibes verspricht übrigens der Callwey-Verlag in seinem Coffee-Table-Buch „Münchner Geschichten: Oktoberfest“ von Franz Kotteder.
Für die Wiesn 2024 habe ich das Buch leider zu spät entdeckt, aber allein das Cover finde ich ganz bezaubernd. (Note-to-myself: Im September 2025 vorstellen!)
***
Vielleicht magst du mein Blog abonnieren, dann verpasst du keinen Beitrag mehr! Geht ganz schnell: Mail-Adresse eintragen, absenden und – ganz wichtig!! – den Link in der Bestätigungsmail, die dir im Anschluss zugestellt wird, anklicken. Manchmal versteckt sich diese Mail im Spamfilter. Aber ohne Verifizierung, keine Texterella-Mail! :-) Dass ich mit deiner Adresse keinen Unfug betreibe, du dich auch jederzeit wieder abmelden kannst und dass dieser Service natürlich absolut kostenlos ist, muss ich sicher nicht extra dazusagen. Ich freue mich auf dich!
3 Kommentare
am Freitag, 25. September 2015 um 12:04 Uhr
Wirklich hervorragend geschrieben, ich kann nur zustimmen. Ich denke die männliche Begründung fürs nicht Waschen ist auch ganz urtypisch: Leder waschen - warum? Wäscht sich denn das Rind?
In diesem Sinne nochmals danke über den Beitrag, über den ich doch sehr schmunzeln musste. Wir sehn uns auf der Wiesn…
Marie
am Montag, 24. September 2018 um 16:21 Uhr
Ach je, hier bei uns heißt sowas Schützenfest und wird als Brauchtum bezeichnet. Zweck und Ziel des “Brauchtums” ist Besaufen nach strengen Regeln. Jetzt könnte ich gut meinen Spott auf die Schützenbrüder abladen - es gibt allerdings auch jede Menge Schützenschwestern, die sich gerne den Traditionen anpassen. Es gibt dann nur zwei Optionen: mitmachen oder Kurzurlaub. Ich plädiere für letzteres. Herzliche Grüße Annette-Mari
am Donnerstag, 26. September 2024 um 10:36 Uhr
Frisch kolumnisiert, sehr schön! Super Kommentar von Marie zum Waschen von Lederhosen: Wäscht sich denn das Rind? :-))))