Texterella durchsuchen

Texterella persönlich.

Trau dich, anders zu sein. Warum es gut tut, sich vom Mainstream zu verabschieden.

Immer wenn mir an einem Maisonntag kleine Mädchen in Weiß über den Weg laufen, muss ich an diese Geschichte denken, die mich durchaus für mein Leben geprägt hat. Meine Mutter hatte mir zu meiner Erstkommunion ein eierschalenfarbenes Etui-Kleid schneidern lassen – und damit stach ich unter all den schneeweiß-zugetüllten Kinderbräuten heraus wie ... wie ... genau! Ja, ich hätte auch einen knallroten Mantel anstatt eines weißen Kleides tragen können. Der Effekt wäre derselbe gewesen. Aus heutiger Perspektive war das Kleid mit seinem schlichten Schnitt superchic – aus meiner damaligen Sicht war es eine Katastrophe.

 

Natürlich habe ich den Tag gehasst und wie sehr habe ich auf eine Erdspalte gehofft, die mich mitsamt meiner eierschalfarbenen Andersartigkeit verschlucken möge.

Unauffällig war noch nie meine Stärke.

Der Tag der Erstkommunion und der Schrecken des Kleides in Creme gingen vorbei – das Anderssein ist geblieben. Nun war ich keine Außenseiterin, aber eben doch ... anders. Größer und pummeliger sowieso. Auffälliger. Sehr früh sehr emanzipiert, offen, ein Freigeist, der selbstbewusst seine Meinung vertrat. Statt mit den Mädchen zu kichern habe ich lieber mit den Buben diskutiert, und statt in der Sonne zu braten saß ich schon damals lieber im Schatten. Ski fahren und Urlaub am Mittelmeer langweilten mich zu Tode – lieber ging ich als Austauschschülerin ein Jahr in die Staaten. Für sich genommen alles keine großen Dinge, in Summe dann aber doch.

Lange Zeit hat mich dieses Gefühl, nicht ganz dazuzugehören, belastet. So gerne wollte ich sein wie meine Klassenkameradinnen (mädchenhafter, schlanker, blondlockiger, sportlicher ...), wollte ein Teil der Clique sein. Erst als junge Erwachsene wurde mir klar: Dieses „Anders“ hatte mich erstens stark und selbstbewusst gemacht und war zweitens auch eine große Chance, um genau das Leben zu leben, das ich leben möchte – egal, was andere darüber denken.

Kultiviere deine Eigenart. Gehe deinen eigenen Weg.

Es mag sich sicher anfühlen und bequemer sein, alles so zu machen wie alle anderen. Im großen, breiten Strom mitzuschwimmen, sich darin einfach treiben zu lassen, nicht abzuweichen von dem, was als "normal" gilt und gängig ist. Ja, es kostet auch Mut, Dinge anders zu machen, Regeln und Konventionen auch mal zu hinterfragen. Den eigenen Weg zu gehen. Man eckt an, wird für schräg befunden und ist durchaus auch mal Dorfgespräch.

Aber auch wenn es schwierig ist und anstrengend und natürlich auch ganz viel mit dem Thema Komfortzone zu tun hat: Es lohnt sich, keine Marionette des Mainstreams zu sein. Sondern seine Eigen-Art zu pflegen und bewahren, und dadurch einzigartig zu sein. Oder zu werden.

Spannend wurde mein Leben dort, wo ich den Mainstream verlassen habe.

Dieser Post ist übrigens kein Plädoyer gegen alles Normale. Letztlich sind mein Leben und meine Biografie in sehr weiten Strecken sehr normal, und das ist auch gut so. Aber: Richtig spannend wurde mein Leben immer dann, wenn ich mich getraut habe, die eingelaufenen Wege zu verlassen und mein „Anders“ zu leben bzw. zum Thema zu machen. Mich hier auf Texterella als pummelige 50plus-Frau zu zeigen zum Beispiel – was ich ja die ersten Jahres meines Blogs vermieden hatte. Mich auffällig zu kleiden – weil ich ein Faible für knallrote Trenchcoats und tiefrote Lippen habe und es mir egal ist, wenn sich andere darüber wundern! Nach Irland zu fliegen, um dort Fotos zu machen – obwohl ich natürlich auch in meinem Vorgarten hätte Fotos machen können! Aber wie schade wäre es gewesen, all das nicht zu tun! Um wie viel ärmer wäre Leben, wie viele Momente hätte ich verpasst, wie viele Menschen niemals kennengelernt – wenn ich immer das Gewohnte und nie etwas anders gemacht hätte! Gerade #texterellagoesirland war eine solche Bereicherung. Lasst uns also unsere Eigenart kultivieren! Lasst uns anders sein! Und die Welt bunter machen! Beigen Einheitsbrei gibt es ja wahrlich schon genug. Und vor allem: "Anders sein ist wohl der einzige Weg zu sich selbst." Was für ein wunderbarer Satz, den mir gestern eine Instagram-Freundin unter unter meinen Post schrieb. Dazu kann ich nur ganz heftig nicken. Was denkst du über dieses Thema? Verrätst du es mir? Erzähl doch mal!

Outfit:

Mantel: Doris Megger

Hose: Apart

Fotos: Martina Klein | stillsparkling.de

Beratung: Mary-Ellen Rudloff | SALUT Communications

Die Fotos entstanden im März während #texterellagoesirland.

***

Du willst keinen Blogpost verpassen? Dann abonniere Texterella per Mail! WICHTIG: Nach dem Eintragen deiner Mail-Adresse erhältst du eine Mail, mit der du die Anmeldung noch durch einen Klick bestätigen musst. Ohne diesen Klick geht's nicht. :-) Selbstverständlich ist dieses Angebot kostenlos und jederzeit kündbar.

7 Kommentare

Martina Klein
am Dienstag, 15. Mai 2018 um 07:22 Uhr

Liebe Susanne,

vielen Dank für diesen Post, er spricht mir aus der Seele. Und er lässt Gefühlenwieder wach werden, die ich manchmal verdränge. Dann am Rand zu stehen, weil man anders ist, tut auch schon einmal weh. Und diese Erinnerungen brennen sich tief ein, auch wenn ich es genau wie Du sehe: nicht mit dem Mainstream zu schwimmen, eine eigene Meinung zu haben und diese auch gegen Widerstände zu vertreten, ist charakterbildend und das, was eine Persönlichkeit ausmacht. An wen sich die Kommunionsgemeinde von damals wohl erinnern würde???

Ganz liebe Grüße
Martina

Auf diesen Kommentar antworten

Ela
am Dienstag, 15. Mai 2018 um 09:04 Uhr

Hallo Susanne,
mich hat niemand gefragt, ob ich anders sein will, ich bin es einfach. Das Schikdal beschwerte mir einen kurvigen Rücken, zudem war ich als Teenie sehr dünn ,  sehr lang und überaus lockig.  Damals willze ich nichts lieber als sein wie alle, einen geraden Rücken haben, ein paar mehr Formen und vor allem lange, glatte, blonde Jaare wollte ich. Mit Mitte 30 hatte ich immer noch Kurven auf der falschen Seite, sehr lockige Haare, dafür aber weder lang noch dünn. Zufrieden war ich aber nicht. Heute mit 57 hat sich an dem Zustamd nicht viel verändert, d.h. doch, denn heute mag ich mich so wie ich bin, bin an mich gewöhnt und denke, so bin ich gut so. Darum habe ich überhaupt mit meinem Blog angefangen, ich will Mit machen, die zu sein, die man ist.

Auf diesen Kommentar antworten

Daniela
am Dienstag, 15. Mai 2018 um 09:13 Uhr

Liebe Susi,

welch inspirierender Post - danke dafür!
Ich war auch immer anders. Als Rothaarige hatte ich es als Kind nicht leicht - doch das war “nur” das Äußere. Auch innerlich war ich anders als die anderen Kids, irgendwie “erwachsener”. Teil einer Clique war ich nie, dafür hatte ich immer ein, zwei beste Freundinnen an meiner Seite. Als ich älter wurde, ging ich komplett andere Wege als andere in meinem Alter aus meinem kleinen Dorf es taten. Und auch innerhalb meiner Familie bin ich diejenige, die gewaltig aus dem Rahmen geplumpst ist. Das führt dazu, ein lebenslanges Gesprächsthema zu sein, aber hey - why not :-)

Liebe Grüße
Daniela

Auf diesen Kommentar antworten

Claudia Braunstein
am Dienstag, 15. Mai 2018 um 10:13 Uhr

Liebe Susi, ich war ja einmal römisch-katholisch. Als Einzige in der Familie. Weil mein Opa Schuldirektor war und ich ohne Vater zur Welt kam, damals in den frühen Sechzigern ein echter Skandal. Also hatte man beschlossen, mich aus gesellschaftlichen Gründen taufen zu lassen. Zugang hatte ich keinen zur Religion, deshalb empfand ich die Erstkommunion mehr als Verkleidungsparty. Darum musste auch ein besonderes Kleid her. Meine Tante wurde beauftragt ein blaues Kleid zu schneidern. Ja, blau! Und in die Kirche bin ich nicht wie alle anderen in der Zweierreihe gegangen, sondern hab mich radschlagend dorthin begeben. Heute würde man verhaltensauffällig sagen, damals einfach nur skandalös :-) Liebe Grüße, Claudia

Auf diesen Kommentar antworten

Birgit
am Dienstag, 15. Mai 2018 um 18:27 Uhr

Liebe Susi,

erst einmal lieben Dank fürs Zitieren :-) Darüber freue ich mich nun sehr.

Ich habe irgendwann angefangen, anders zu sein, anders zu leben, anders zu handeln, anders zu… was auch immer. Nicht immer, aber sehr oft. Deshalb bin ich Wind gewohnt. Den von vorne.

Leider auch, dass ich oft nicht Teil einer Gruppe geworden bin. Manchmal fehlt mir das. Natürlich gibt es Gruppen, in die ich dann aufgenommen wurde, aber so grundsätzlich war ich oft auf mich alleine gestellt.

Was mir das gebracht hat? Die Zuversicht, dass ich alles schaffen kann. Das wiederum macht es dann auch wieder schwierig. Aber ich will mal nicht jammern - relativ frei zu sein und damit unabhängig mag ich ja sehr gerne.

Und wenn ich so über Kleidung nachdenke… Da hat mir meine Mutter als Kind auch so manches angetan. Finde ich heute. Damals war es normal für mich. Auch schräg.

Ja, lass uns anders sein. Weiterhin. Ich wünsche mir auch hier eine große, bunte Gemeinschaft.

Alles Liebe
Birgit

Auf diesen Kommentar antworten

Clarissa
am Mittwoch, 16. Mai 2018 um 18:32 Uhr

Tolle Fotos! Und toller Text. Leider lernt man ja meist erst mit zunehmendem Alter, dass Anderssein gar nicht so schlecht ist…als Kind habe ich auch eher darunter gelitten. In einem kleinen erzkatholischen Dorf war ich immer einen Tick anders als die Mehrheit, ich weiß bis heute nicht genau warum. Wir hatten nicht viel Geld für Klamotten, da konnte ich bei Markenklamotten nicht mithalten.  Als Jugendliche habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und bin mit den Pyjamahosen und dem Hochzeitsfrack meines Großvaters in die Schule gelaufen. Meine beste Freundin hat mitgemacht, das hat natürlich geholfen. Wir sind absichtlich gegen den Strom der dauergewellten und schultergepolsterten 80er Jahre-Mode geschwommen - das hat uns stark gemacht und bis heute gehalten. Wir ziehen keine Schlafanzüge mehr an, wenn wir aus dem Haus gehen. Aber wir sind gern mal bunt und auffällig. Bei meiner Teenie-Tochter versuche ich, auch ein Bewusstsein für Individualität zu wecken - das ist bei der Gleichmacherei und dem Druck durch Youtuber und GNTM gar nicht so einfach. Ich muss mal die Pyjamahose von Opa suchen…

Auf diesen Kommentar antworten

Louve
am Freitag, 18. Mai 2018 um 11:15 Uhr

Ach wie schön geschrieben! Und es erinnerte mich nun zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit an meine Konfirmation: als einziges Mädchen im Hosenanzug. Selbstgewählt. In einem bayrischen Dorf. Doch damals wie heute wohnt in mir die Überzeugung: Ich bin völlig normal. Die meisten anderen sind etwas komisch.
Mit den Jahren lernt man glücklicherweise mehr und mehr andere Menschen kennen, die genauso normal sind wie man selbst.
(Und man schaut auch nicht mehr ständig nach oben, darauf wartend, dass das Heimatraumschiff, das einen vor viereinhalb Jahrzehnten hier verloren hat, einen wieder abholt…:).)

Auf diesen Kommentar antworten

Angaben merken? (Die Daten werden in einem Cookie auf Deinem Rechner gespeichert.)

Durch das Anhaken der Checkbox erklärst Du Dich mit der Speicherung und Verabeitung Deiner Daten durch diese Webseite einverstanden. Um die Übersicht über Kommentare zu behalten und Missbrauch zu verhindern, speichert diese Webseite von Dir angegebene Namen, E-Mail, URL, Kommentar sowie IP-Adresse und Zeitstempel Deines Kommentars. Detaillierte Informationen finden Sie in meiner Datenschutzerklärung.

 
 
Texterella abonnieren

Texterella abonnieren