Gedanken.
Nachhaltig und fair leben: Warum ist das eigentlich so schwer?
Es ist noch gar nicht so lange her, da war Pelz für mich überhaupt kein Thema – wie vieles andere im Übrigen auch. Zwar hatte ich keine „klassischen“ Pelzmäntel, dafür aber einige Lammfelljacken im Schrank, sowie diverse Lammfelldecken im Wohnzimmer plus eine wunderbare Kuscheltasche aus weichstem Tibetlamm-Fell. Heute kommen mir fast die Tränen, wenn ich diese Liste sehe. Damals habe ich nicht so viel darüber nachgedacht. Ich genoss die weiche Wärme des Fells, und das war’s.
(Foto: Eva Ackstaller. Pelz: Erbstück.)
Irgendwann und irgendwie hat sich meine Haltung verändert. Langsam, aber doch stetig. Nicht nur zum Thema Pelz, sondern zu tierischen Produkten überhaupt. Zum Tod von Tieren – für den eigenen Genuss. Die Veränderung verlief schleichend, fast unmerklich. Den Auslöser kann ich gar nicht mehr festmachen, vielleicht war es der Zeitgeist, vielleicht das Älterwerden. Während mir etwa Veganismus noch vor sechs, acht Jahren geradezu unheimlich war und ich dahinter eine Horde fundamentalistischer Ernährungsmilitaristen vermutete, versuche ich heute selber möglichst oft vegan zu kochen. Mittlerweile zieht sogar die ganze Familie mit. Vor allem die Freundschaft zu Annette Jarosch, die mich mit ihrer undogmatischen Art mehr überzeugte als viele PETA-Videos, hat mich sensibler gemacht und mir zudem gezeigt, dass vegan leben tatsächlich machbar und sogar ziemlich lecker ist. (Hier habe ich Annette zum Thema „Vegan essen“ interviewt.) Vegetariern und Veganern zolle ich höchsten Respekt für die konsequente Umsetzung einer Haltung, die ich teile – und selber dennoch nicht konsequent lebe.
Pelz habe ich mir in den letzten Jahren „abgewöhnt“. Was nicht schwer war: Ich will mich in kein Kleidungsstück kuscheln, für das ein Lebewesen womöglich grausam sterben musste. Besonders weil es mittlerweile hochwertige und tolle Alternative aus Syntethik gibt, die von der Optik und Haptik den Originalen wenig bis nichts nachstehen. Den einzigen Pelz, den ich mir noch erlauben würde, ist alter Pelz, entweder aus eigenem Besitz, ererbt oder auf dem Flohmarkt erstanden – weil ich damit keine zusätzliche Nachfrage generiere, sondern etwas auftrage, das ohnehin schon existiert. Oder ist das wieder schöngeredet? Ich hoffe nicht.
Dann ist da ja auch noch das Thema Leder, das im Grunde keinen Deut besser ist als Pelz. Ich habe es immer noch nicht geschafft, auf Lederschuhe zu verzichten und auf Schuhe aus Kunststoff umzusteigen – ich kann mich einfach nicht von der Vorstellung riechender Schweißfüße freimachen. (Hier habe ich schon mal über vegane Schuhe geschrieben.) Bei Taschen könnte das schon eher funktionieren, wobei die richtig schönen Taschen immer noch die aus Leder sind, zumindest meiner Erfahrung nach. Leider!
Aber es gibt auch die andere Seite: „Veganes Leder“ oder Kunstpelz landen irgendwann als Plastikmüll auf unseren Halden. Veganes Essen geht nicht selten mit hochraffiniertem Nahrungsmitteln einher, die wiederum die Umwelt belasten – nicht immer, aber auch. Oder meine geliebten Avocados! Über die habe in der ZEIT erst vorgestern eine erschütternde Reportage gelesen, von Soja wollen wir gar nicht reden. Zu allem, was man tut, scheint es immer eine Kehrseite zu geben, die alle Versuche eines nachhaltigeren Lebensstils ad absurdum führt. Sicher, man kann regional kaufen und leben, aber puh, das würde den Speisezettel doch deutlich ausdünnen (und damit meine ich jetzt nicht den Verzicht auf Erdbeeren im Dezember!).
Was bleibt, ist ein Versuch. Mein Versuch, bewusster, tierliebender und umweltfreundlicher, nachhaltiger und fairer zu leben. Auch wenn ich alles andere als konsequent bin, dazu konsumiere ich zu viel und zu spontan und zu gern. Dieses Blog müsste ich im Grunde sofort schließen oder auf Second-Hand-Mode umstellen. Was eigentlich eine tolle Idee ist – wenn nicht schöne Second-Hand-Mode in Plussize noch schwerer zu finden wäre als schöne Plussize-Mode ohnehin! (Vielleicht sollte ich ja einen Mädchenflohmarkt für Dicke aufziehen ...?! :-))
Nein, es ist nicht einfach, mit halbwegs gutem Gewissen durchs Leben zu gehen. Weil vieles eben zwei Seiten hat. Weil richtig und falsch oft verschwimmen. Weil es manchmal gar kein Richtig oder Falsch gibt. Das ist nun keine Entschuldigung für mangelnde Konsequenz. Eher die bittere Erkenntnis aus dem Versuch.
Ich bleibe trotzdem dran. Denn gar nichts tun ist sicher die schlechteste Option. Korrektur: Es ist gar keine Option.
Wie siehst du das?
Ergänzung: Gerade habe ich den Beitrag von meiner Kollegin Eva Schumann entdeckt, die das Thema bzw. den Zwiespalt noch deutlich umfassender behandelt: Politisch korrekt einkaufen – wo sind die Grenzen? Sehr lesenswert!
10 Kommentare
Am Wochenende fand ich mich beim ersten ‘Green Blogger Meet Up’ zwischen lauter Fashionbloggern wieder, zu dem Ähnliches Deiner Gedanken angesprochen wurde. Mein Versuch der Zusammenfassung im Blogpost ergab allerdings weniger Antworten, als noch mehr Fragen, insbesondere, wie Du es ansprichst, auch zum Bloggerdasein/Contentcreater an sich. Puh!
Der ‘grüne’ Berg ist riesig, aber ein Kapitulieren kommt, wie Du schreibst, nicht in Frage. Und wenn jeder nach seinen Möglichkeiten ein bisschen schafft, ist viel erreicht! Konsumdrosselung, bewusster einkaufen, ohne Perfektionsanspruch, ohne Selbstkasteiung. Dank Austausch entdecke ich immer mehr, was für mich ohne Mühe auch anders geht,‘grüner’ ist. Also mehr davon, mehr Austausch!
Viele Grüße . Maren
Ja, zwei Jecke und eine gemeinsame Gewissenslast.
Ich finde gut, dass du auf die zwei Seiten hinweist, die alles hat. Ich habe beispielsweise mal ein Jahr vegan und mehrere Jahre vegetarisch gelebt, aber das Entsetzen einer Kollegin, die an die Kleinbauern und das traditionelle Käseherstellungshandwerk etc. erinnerte, kann ich bis heute nicht vergessen. Außerdem widerstrebt mir alles, was hochprozessiert ist - jedenfalls auf Dauer. Essenstechnisch bin ich inzwischen Flexitarier mit dem Hang, etwas zu viel Käse zu genießen. Bei Lederjacken und Handtaschen habe ich dagegen keine Probleme, ich finde, da gibt es inzwischen auch aus Fake-Leder richtig schöne. Bei den Schuhen habe ich die gleichen Assoziationen, muss aber sagen, dass es da auch zunehmend schöne textile bzw. Kombinationen aus wetterfestem Textil mit FakeLeder Alternativen gibt.
Ich bin auch der Meinung, man sollte die Menschen nicht mit zu viel Political Correctness abschrecken. Ich finde es schon gut, wenn sich jeder erst einmal der Probleme und Konsequenzen bewusst ist und da anfängt, wo es für ihn/sie machbar ist. Man kann sich ja dann noch steigern.
Liebe Grüße
Eva
PS: Ich hab deinen Beitrag in meinem Blogtext unter Weitere Informationen verlinkt.
Wir brauchen einfach von allem zu viel. Massen an Fleisch, Leder usw. Echtes Fell aus China wird und als Kunstpelz verkauft - ist mir schon passiert.
Wir Menschen sind, genau wie beispielsweise der Wolf, von Natur aus Allesfresser, auch von Fleisch. Das zeigen ja auch die immer noch ausgeprägten Eckzähne.
Al ich Kind war Ende der 50er Anfang der 60er Jahre war Fleisch etwas besonderes und teuer. Massentierhaltung gab es noch nicht. So war der “Sonntagsbraten” etwas tolles. Unter der Woche gab es nur selten Fleisch.
Wenn wir da wieder hinkämen, wäre das grossartig.
Ich bin, genau wie du, nicht konsequent. Ich mag Fleisch, merke aber, dass ich immer weniger davon esse. Nicht aus irgendwelchen Überlegungen, sondern weil ich immer weniger Appetit drauf habe.
Fazit: Alles in Maßen genossen würde schon viel bewirken.

am Mittwoch, 19. Oktober 2016 um 13:05 Uhr
Ich bin voll bei dir. Ich setze auch ganz viel um, aber an ein paar Ecken zwickts.
Und ehrlich: Es ist eine Sauerei, was Konzerne mit tierischem und menschlichem Leid veranstalten.
Ich gehe sogar so weit zu sagen: Die Lebensmittelindustrie treibt uns in die Arme der Ärzte, der Krankenhäuser und Pharmaindustrie und letztendlich vorzeitig ins Grab. So hat sich das Problem Rente für uns einfach nicht sterben wollende Generationen von allein erledigt.
Herzlichen Gruß Aveleen

am Mittwoch, 19. Oktober 2016 um 13:06 Uhr
Leben und Leben lassen auch Tiere.
Jeder einzelne soll und muss sich Gedanken machen wie er leben will.Kein Dogma ändert die Welt .Diese Diskussion wird nur in reichen Ländern geführt,wo alles und jedes jederzeit verfügbar sein muss.
Wenn wir alle nachdenken, wie wir und zukünftige Generationen leben wollen (Umgang mit Mensch Tier und Natur) würde schon viel passieren.
Liebe Susi, Nachhaltigkeit dürfte gerade mehrere Leute bewegen. Ich glaube, das liegt auch an unserem fortgeschrittenen Alter, man wird wohl wirklich nachdenklicher und hinterfragt so manches einfach mehr. Mir ist gerade mein blauer! Nerzmantel in Erinnerung gekommen. Der war in den 80ern ein absolutes Muss, heute für mich schlicht unvorstellbar.Bei Schuhen tue ich mir wirklich schwer. Ich will nicht ständig in Sneakers herumlaufen. Zu deinem Mädchenflohmarkt für Frauen mit Figur, so etwas gab es kürzlich hier in Salzburg. Veranstaltet von einer lieben Freundin von mir, die übrigens auch bloggt. Dieses Flohmarktmodell wird übrigens fortgesetzt, vielleicht wäre das auch für dich interessant. http://www.vielfalten.com/das-war-der-1-salzburger-kurvenmarkt/. Liebe Grüße aus Salzburg, Claudia
Danke dir für diesen Post. Mich treiben gerade ähnliche Gedanken um. Und je mehr ich mich auf speziellen Seiten informiere, desto mehr habe ich das Gefühl, diesbezüglich total zu versagen. Für mich gibt’s daher gerade einen Informationsstopp, denn was gut ist und was nicht, weiß ich…theoretisch. Aber es ist mir halt unmöglich, die ganze Welt im Alleingang zu retten und darum schaue ich, was für mich passt. Was aber für mich funktioniert ist bewusster Konsum: weniger kaufen, Sachen länger nutzen. Außerdem geht mein Ernährungsstil wieder in Richtung vegan(er). Fühlt sich besser an, auch wenn es vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.
Lieben Gruß
Anna
Nicht immer, aber immer öfter ist hier mein Motto. Auf Fleisch zu verzichten fällt mir leicht, da ich es nicht gerne esse und immer schon Schwierigkeiten damit hatte, tote Lebenwesen zu verspeisen. Seitdem meine älteste Tochter vegan lebt, hat sich unsere Ernährungspalette nochmals verändert, da ich ungerne mehrere Gerichte koche und versuche, möglichst ausgewogene Speisen auf den Tisch zu bringen. Nicht einfach aber leichter als gedacht. Auf Leder mag ich nicht verzichten, bei Pelz greife ich in der Regel auf Kunstfell zurück. Welches aber wahrscheinlich nur schwer verrottet. Wobei wir bei der Kehrseite der Medaille währen.
Ich glaube, das jeder kleine Schritt die Welt ein bisschen besser macht. Jedes Stück Fleisch, das hier nicht gegessen wird, senkt den gesamten Fleischkonsum. Jeder bewusste Umgang mit dem Thema verändert die gesamte Haltung ein wenig. Es müssen nicht immer die großen Schritte mit Pauken und Trompeten sein. Auch Kleinvieh macht bekanntlich Mist ;) Und das Beleuchten von verschiedenen Perspektiven ist immer ein guter Ansatz, um ein Thema in Gänze zu durchdringen. Denn wie du schon schreibst: Ganz so einseitig darf dieses Thema nicht betrachtet werden.
Liebe Grüße
Andrea