Frisch kolumnisiert.
Beige Birkenstocks und politische Korrektheit. Oder: Wie viel Lachen ist erlaubt?
Selbstverständlich bemühe ich mich. Wirklich. Ich gendere, so gut ich kann, sage „Mitarbeitende“ statt „Mitarbeiter“. „Flüchtlinge“ sind für mich „Geflüchtete“ und „Schwarze“ heißen bei mir politisch korrekt genau so: Schwarze. Im Restaurant bestelle ich (selten genug!) Balkan- statt Zigeuner-Schnitzel (uuups!), auf Kindergeburtstagen wurden Schaumküsse genascht. Und wehe ein Kind sagte das N-Wort! Das ging gar nicht! Nur „Pippi Langstrumpf“ habe ich meinen Kindern im Original meiner eigenen Kindertage vorgelesen – natürlich nicht ohne eine pädagogisch wertvolle Diskussion über den „Negerkönig“ anzustoßen, der in neueren Auflagen durch den politisch korrekten „Südseekönig“ ersetzt wurde. Selbstredend spende ich einen Teil meines Einkommens nach ausgewogenen Gesichtspunkten, verzichte beim Einkaufen auf Plastiktüten und esse maximal zweimal wöchentlich Fleisch. Aus Bio-Betrieben. Zertifizierten, versteht sich.
Political Correctness – ja, klar, bin ich dafür! Ist ja auch gut und wichtig und richtig. Aber mittlerweile eben auch eine ganz schöne Nervensäge. Zumindest manchmal. Kürzlich auf Facebook zum Beispiel, als ich eine flapsige Bemerkung zu „beigen Männerbeinen in beigen Socken in beigen Sandalen“ machte. Sicher, es gibt schlauere Statusmeldungen. Und wichtigere Diskussionsplattformen als Facebook. Natürlich hätte ich ein weiteres Mal die Trump’schen Eskapaden kommentieren oder etwas zum Mikroplastik in den Ozeanen schreiben können. Oder über die Milchindustrie lamentieren, das Versicherungsdebakel bei Hebammen beklagen oder mehr Geld für Alleinerziehende fordern. Zweifellos gibt jede Menge Themen, mit denen man sich hübsch ins politisch korrekte Nest setzen kann. Aber dürfen nicht auch mal nackige Männerbeine zur Sprache kommen? Besonders, wenn sie so apart in beigen Socken und beigen Schlappen stecken? Ich finde schon. Unbedingt sogar!
Die ersten Kommentare waren auch humorvoll bis launig – doch dann wendete sich das Blatt. Es fielen Wörter wie Bodyshaming, Respektlosigkeit, Intoleranz gegenüber abweichenden Geschmäckern. Hallo, es ging um nackte dünne beige besockte Beine in Birkenstocks! Wie kann man da denn die Geschmacksfrage stellen? Und überhaupt: Muss denn alles gleich in einer bierernsten Grundsatzdiskussion enden? Muss man bei jeder flapsigen Bemerkung gleich mit der Zurechtweisung seitens politisch korrekter Bessermenschen rechnen? Kann man die Goldwaage nicht einfach mal zur Seite stellen und gemeinsam lachen?
Übrigens echauffierten sich mehr Frauen als Männer über meine politisch inkorrekte Intoleranz gegenüber beigen Männerbeinen. Keine Ahnung, was das nun wieder bedeuten soll. Ich finde, Witze müssen noch erlaubt sein. Auch wenn sie politisch nicht ganz korrekt sind. Zumindest, wenn es um beige Socken geht. Und um nackte Männerbeine. Und um Birkenstocks. Mit so viel – oder eher so wenig – politischer Unkorrektheit muss eine Gesellschaft umgehen können, ohne dass gleich eine komplette Wertearchitektur auseinanderbricht.
Illustration: Ulrike Haseloff
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11 Kommentare
am Freitag, 16. März 2018 um 09:20 Uhr
Genau! Bin ganz Deiner Meinung.
Liebe Grüße
Heike
am Freitag, 16. März 2018 um 11:17 Uhr
Ich persönlich finde dieses Beige-Bashing! natürlich total arg;-) Sonnige Grüße von der anderen Seite der Welt, Claudia
am Freitag, 16. März 2018 um 12:49 Uhr
Hach,... beide Socken in dünnen, bleichen, haarigen Männerbeinen,... Wobei ich persönlich Birkenstocks nicht so schlimm finde, wie die Männersandalen, die sich auch noch über die Zehen stülpen. ist aber ne Gratwanderung, also, was die Steigerung anbelangt.
Bei all dieser heuchelnden politischen Korrektheit verschlucke ich mich ein ums andere Mal. Was sind wir Menschen doch für Popbackenkneifende, hechelnde Spießer geworden. Wo ist denn unser Humor geblieben? Wenn wir alle wieder lernen würden, mal herzhaft über uns selbst zu lachen, alles nicht ganz so ernst zu nehmen. Dann bräuchte es diese ganzen Reglements doch gar nicht mehr! Dann hätten wir wieder ein Gespür dafür, Taktgefühl, Empatie und wüssten, wann und wie weit ein Scherz gehen kann. dann könnten wir wieder herzhaft übereinander und miteinander lachen,... Also ich lache über solche Texte, über unsere Hündin, die vor lauter Hitze nicht mehr weiter wusste. Ich lache über das sportlich gezeigte Maurerdekolletee, genauso wie über mich selbst, wenn ich die Eierschale mit in die Pfanne zum Spiegelei werfe. Mit unseren Kindern, Freunden, auch einfach mal so, ich lache fremde Menschen, auch mal im Supermarkt an. Und echt jetzt, das ist ähnlich befreiend, wie das Gegickel über den in den 70gern hängen gebliebenen Nachbarn, der bald wieder mit seiner Miniboxershorts mit Meshfutter am Sportplatz entlang radelt. Woher ich das mit dem Meshfutter weiß? ;-)
Danke für Deine tollen Texte, ich bin ein großer Fan :-)
Deine Martina
am Freitag, 16. März 2018 um 13:10 Uhr
Amen!
*oh Gott, ein religiös angehauchter Kommentar* *oh Gott, ich habe oh Gott gesagt* *Hilfe, ich komme aus der Nummer nicht mehr raus* *SOCKEN IN SANDALEN* *puh, gerade noch die Kurve gekriegt*
Entspannt humorvolle Grüße,
Valérie
am Freitag, 16. März 2018 um 15:04 Uhr
Da kann ich mich nur inhaltlich vollkommen anschließen! Gehen die Menschen zum Lachen wirklich nur mehr in den Keller??????
am Freitag, 16. März 2018 um 15:09 Uhr
Was die beigen Männerbeine in beigen Socken und beigen Sandalen anbelangt bin ich ganz bei dir. Darüber darf man ruhig mal witzeln. Männer reißen ja schließlich auch blöde Witze über Frauen. Naja, seltsam, dass gerade Frauen dann für die Männer in die Bresche gesprungen sind.
Nicht so toll finde ich die Bemerkung, dass du ggf. “politisch korrekt” mehr Geld für Alleinerziehende hättest fordern sollen. Das ist mal wieder eine Verallgemeinerung, die mich bissl ärgert. Ich bin alleinerziehende Mutter, und keineswegs darauf angewiesen, von irgendjemanden Geld zu bekommen. Schon gar nicht vom Staat. Ich lebe sehr, sehr gut von dem Geld, das ich durch meine Arbeit und mein Unternehmen verdiene…Nicht alle Alleinerziehenden leben an der Armutsgrenze. Nur mal so…
Herzliche Grüße
Birgit
fortyfiftyhappy
am Freitag, 16. März 2018 um 16:31 Uhr
am Samstag, 17. März 2018 um 08:46 Uhr
Die Political Correctness schwirrt ja durch unser Leben und nimmt eine Dominanz an, von der viele Menschen bereits überfordert und genervt sind.
Es geht nämlich vielfach nur mehr um die Sorge, wie dass ich keine falschen Wörter verwende, dass niemand aus meiner Aussage etwas Unkorrektes herauslesen kann. Das finde ich teilweise schon traurig, denn der eigentliche Grundgedanke bleibt dann vielfach auf der Strecke – es geht darum, etwas mit Policital Correctness auszudrücken, ob man dies dann auch so verwirklicht, wird nicht mehr hinterfragt. Dabei wären doch nicht die Aussagen, sondern die Taten das Entscheidende.
Was hilft es den Frauen, wenn wir anstatt „Mitarbeiter“ jetzt „Mitarbeitende“ sagen, sie im Endeffekt aber weiterhin für die gleichen Leistungen weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen? Was hilft es, wenn wir statt „Flüchtlingen“ nun „Geflüchtete“ sagen, aber unser Handeln nicht entsprechend anpassen?
Vielleicht wäre ein bisschen weniger Political Correctness in der Sprache, dafür mehr Lachen und schlussendlich mehr Spaß bei den Taten sinnvoller.
Du hast hier meines Erachtens ein sehr wichtiges Thema aufgegriffen, das uns alle zum Nachdenken anregen sollte.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenenden und alles Liebe Gesa
am Montag, 19. März 2018 um 11:50 Uhr
Susanne, ich umarme Dich für diesen wortreichen, augenrollenden, humorvollen Stoßseufzer!
am Dienstag, 21. August 2018 um 16:55 Uhr
Völlig politisch unkorrekt ist, es wenn man diese Kolumne kommentiert (super super super!!!) und dabei unter dem Schreibtisch irre bequeme beige Birkenstocksandalen trägt. So wie ich gerade. Aber ich schwöre, ohne Socken! Und auch ich ertrage dünne, weiße (womöglich spärlich behaarte) besockte Männerbeine mit Birkenstocksandalen nur schwer.
Ich werde mich jetzt hier durchlesen, bis meine Beine ganz weiß und haarig sind :-)
Bin jetzt Fan! :-) (kann ich trotz der Birkebstock abonnieren? ja oder? ;-)
Herzlich, TINA
am Dienstag, 21. August 2018 um 23:34 Uhr