Texterella schreibt ein Buch.
Texterella allein zuhause. Wie ich vier Tage mit meinem Biorhythmus kuschelte.
Hinter mir liegen vier seltsame Tage. Die ganze Familie war ausgeflogen: der Mann mit den Söhnen nach Hamburg, Töchterlein mit brasilianischen Freunden nach Amsterdam. Und Muttern saß daheim und hütete die Katzen.
Nein, ich muss euch nicht leid tun! Ich bin ja auch oft genug alleine unterwegs. Und jetzt war ich eben einmal diejenige, die daheim blieb. Fair genug! Ehrlich gesagt hatte ich mich sogar darauf gefreut: Vier Tage nur ich – und das Buch. Keine Unterbrechungen, keine Kocherei, kein Mamataxi. Kein Latein abfragen, wenn ich doch eigentlich viel lieber am Schreibtisch bleiben wollte.
Der erste Tag fühlte sich sehr seltsam an. So leise. Geradezu gespenstisch. Kein Türknallen, keine laute Musik. Kein Kinderlachen, kein Kinderstreiten. Niemand hatte Hunger. Selbst ich vergas das Mittagessen, bis mir der Magen knurrte. Die Katzen schlichen irritiert durchs Haus, als fragten sie „Wo sind denn alle?“, und verbrachten die Nacht bei mir im Schlafzimmer. Alle beide. Das kommt sonst nie vor.
Nach anderthalb Tagen hatte ich mich daran gewöhnt: Ich musste nichts und konnte alles. Und vor allen Dingen: Arbeiten, wann ich wollte! Da waren nur mein Biorhythmus und ich. Und wir verstanden uns prächtig: Ich konnte erst gegen 11 Uhr losschreiben und musste nicht nach 1,5 Stunden schon wieder unterbrechen, um das Mittagessen zu kochen, weil um 13.30 Uhr eine Horde hungriger Teenager vor der Tür stand. Ich konnte das Mittagessen einfach ausfallen lassen, wenn ich im „Flow“ war. Wow. Was für ein Gefühl der Freiheit!
Was ich in den letzten Tagen am eigenen Körper und Geist erlebt habe, ist nichts Neues. Unsere Arbeitstage entsprechen nicht unserer Leistungskurve, das ist wissenschaftlich erwiesen. Zumindest nicht für jeden Menschen. Sicher gibt es solche, die bereits um 8 Uhr zur Höchstform auflaufen – Glück gehabt! Alle anderen hingegen dürfen sich ein ganzes Arbeitsleben mit unpassenden Arbeitszeiten abmühen. Im Grunde ist es so, als müssten wir uns alle in Größe-38-Kostümchen zwingen, völlig egal, ob wir Größe 34 oder 44 tragen. Dass das nicht funktionieren kann, ist eigentlich logisch.
Du bist doch Freelancer, werden einige jetzt sagen, du kannst deine Arbeitszeit doch einteilen. Ja, stimmt. Theoretisch. Eigentlich hätte ich gute Chancen, meinen Arbeitstag auf meinen persönlichen Rhythmus abzustimmen. Tatsächlich bin ich aber eingebunden in den fremdbestimmten Alltag anderer. Das mag sich ändern, wenn die Kinder aus dem Haus sind – aber ganz ehrlich: Darauf will ich in Sachen Produktivität weder warten noch mich freuen! Ich will es jetzt schon hinkriegen. Irgendwie. Wie auch immer.
Morgen hat das selbstbestimmte Leben wieder ein Ende.
Morgen sind dann alle wieder daheim. Das ruhige und selbstbestimmte Leben hat dann ein Ende. Dafür klingen dann Lachen durchs Haus und laute Musik. Darauf freue ich mich von Herzen. Auch wenn mein Biorhythmus wieder jammert. Egal.
Immerhin: Ich bin in den vier Tagen gut vorangekommen, habe ein weiteres Kapitel fast fertig. Und die Lektorin mag mein erstes Kapitel! Hey, das sind gute Gründe, sich wacker zu halten. Auch wenn sich die Leistungskurve erst kurz vor Mittag einschaltet. Und dann kochen muss.
Tja, wäre dies ein anderer Blog, hätte ich jetzt natürlich die Lösung für dich. Und mich. Bin ich aber nicht, habe ich aber nicht. Aber vielleicht hast du ja Tipps, wie man in einer fremdgesteuerten Welt seinen Rhythmus findet? Das wäre fein!
(PSchen: Das Streifenshirt von Mads Nørgaard hat zauberhafte Volants und vereint damit zwei meiner aktuellen Lieblingstrends. Ja, es ist ausverkauft, aber mit der Erinnerungsmail habe ich immer noch alles gekriegt. So schnell gebe ich nämlich nicht auf! Bei Volants und Streifen schon mal gar nicht!)
7 Kommentare
am Dienstag, 01. August 2017 um 08:04 Uhr
Liebe Susi,
was ist schon der Biorhythmus gegen fröhliches Kinderlachen? Da geht es mir wie Dir. Und Verlage sind Kummer gewöhnt. Bei mir ist es der Hund, der immer dann Gassi gehen muss, wenn ich meinen Schreibflow habe. Ich habe schon versucht, unterwegs zu diktieren, hörte damit aber auf, als ich zum zehnten Mal den Namen meines Hundes in das Handy brüllte.
am Dienstag, 01. August 2017 um 08:13 Uhr
am Dienstag, 01. August 2017 um 08:38 Uhr
Liebe Susi,
ich habe keine Kinder, und der Mann ist nicht immer bei mir. Wenn ich also ganz alleine bin, genieße ich diese Freiheit genauso, wie Du es getan hast. Das sind wirklich Luxus-Tage!
Für den anderen Teil der Tage können wir eigentlich nur eines tun: Unsere Termine und Pflichten möglichst dicht an unserem Bio-Rhythmus auszurichten. So ganz frei sind wir da ja in der Tat leider nicht. Aber wie Du auch bemerkt und geschrieben hast, sind wir so produktiv UND fühlen uns wohl, wenn wir dürfen, wie wir möchten.
Deshalb geht es sicher Schritt für Schritt: Immer in kleinen Einheiten immer etwas näher an die Freiheit rücken.
Wir brauchen ja auch noch Ziele :-)
Schönen Tag und liebe Grüße
Birgit
am Dienstag, 08. August 2017 um 15:06 Uhr
am Dienstag, 01. August 2017 um 09:14 Uhr
Ach ja, der Bio-Rhythmus ... Selbst ohne Kinder und ohne Hund kann ich mich nicht an ihn anpassen. Oder nur zum Teil. Denn würde ich dann arbeiten, wenn’s für mich am besten ist, könnte ich z. B.
- nie mit meinem Herzblatt frühstücken (da würde ich noch schlafen) oder
- mich am Abend nicht mit Freunden treffen (da würde ich noch arbeiten).
Auf beides zu verzichten, da bekäme ich echt die Krise, wo ich doch eh meistens den Tag allein im Homeoffice verbringe.
Bleibt mir nur die Zeit dazwischen, die aber schon durch das zu frühe Aufstehen irgendwie nicht passt. Was mir gelingt ist, die ideale “Körperzeit” und “Hirnzeit” zu unterscheiden: Wenn am Morgen das Hirn noch schläft, kann ich gut Sport machen. Am Nachmittag ist dann Schwerpunkt Hirnarbeit. Das ist mein Zugeständnis an den Bio-Rhythmus
am Dienstag, 01. August 2017 um 10:49 Uhr
Ein wundervoller Beitrag! Ich sollte mir auch mal wieder Zeit nur für mich nehmen.
Liebe Grüße und noch eine traumhafte Woche.
Celine
am Mittwoch, 02. August 2017 um 09:02 Uhr
Liebe Susi,
das Gemeine ist ja, dass man für die Kinder den ganzen Tag lang total uninteressant ist - bis man sich an den Schreibtisch setzt (oder ein Buch zur Hand nimmt). Dann stehen sie plötzlich neben einem, haben ein ganz großes Problem, sind hingefallen oder müssen SOFORT in die Stadt gefahren werden. Vielleicht sollte man diesen Effekt nutzen? Immer, wenn wir aufmerksam von den Kindern wollen, tun wir so, als möchten wir konzentriert arbeiten - dann kommen sie von alleine.
Liebe Grüße
Dagmar, die die kleinen völlig selbstbestimmten Zeitfenster absolut braucht und genießt - und dann tatsächlich sehr produktiv ist