Frauen ab 50: Das Montagsinterview mit Sabine Eichhorst.
Ich kenne viele tolle Autorinnen. Aber nur wenige sind so erfolgreich wie Sabine Eichhorst. In über 20 Jahren hat sie mehr 22 Titel geschrieben: Sachbücher, Memoirs und Belletristik für große Publikumsverlage – zwei davon haben es in die Spiegel-Bestseller-Liste geschafft. Als Journalistin wurde sie 2011 mit dem renommierten Herbert-Quandt-Preis ausgezeichnet.
Ihre letzten beiden Bücher haben mich besonders beeindruckt: Einmal das Buch „Der Himmel so weit“, in dem es um Sterbehilfe geht, um eine Ehefrau und Mutter, die todkrank zum Sterben in Schweiz fahren muss, weil sie in Würde sterben will – und sie in Deutschland keine Sterbehilfe erhalten darf. (Eine wunderbare Rezension findest du bei Simone Harland.) Und dann noch „Die Liebe meines Vaters“, ein Roman, der im Februar 2016 bei Knaur erscheint, von einer Liebe während Kriegszeiten und -wirren erzählt und von Traumata, die Generationen überdauern. (Die Grundlage dieses Romans sind übrigens 700 Feldpostbriefe, und das finde ich besonders faszinierend ...)
Bücher sind ihr Zuhause, ihre Konstante – ansonsten war und ist in Sabines Leben immer viel in Bewegung: „Ich habe in Hannover studiert, in Paris und Basel gelebt, in den USA und in Asien gearbeitet, wohne jetzt in Hamburg, ziehe demnächst nach München. Ich bin viel gereist, bin norddeutsch und südfranzösisch geprägt, habe viel Zeit in Frankreich verbracht.“ Auch beruflich stehen Veränderungen an: Zusätzlich zu Büchern will Sabine zukünftig auch „Corporate Storys“ für Unternehmen schreiben. Kurz gesagt: Es bleibt spannend.
Sabine Eichhorst, 53. (Foto: Paul Schimweg/Whitehall)
Als ich Sabine kürzlich persönlich kennenlernte, hat mich als erstes ihr schlichter, aber dennoch sehr weiblicher Stil beeindruckt. Deshalb habe ich sie um ein Montagsinterview gebeten ...
Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen oder beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert?
Verändert hat sie sich auf jeden Fall. Ich war nie ein fashion victim, habe aber als Mädchen die Brigitte meiner Mutter gründlich gelesen. In den 1980er Jahren hatte ich dann eine sehr coole Lederhose, Cowboystiefel und Blusen mit Schulterpolstern, die 1990er Jahre habe ich in selbst genähten Leggings und Westen durchschritten – keine Ahnung, ob das jeweils zeitgleich in der Brigitte stand …
Mit Lederleggings. Und Zigarette. Jaja, die Achtziger! (1985)
Heute liebe ich Kleider. Es gibt nichts besseres, vor allem im Sommer: Kleidchen, Schühchen, gut is’. Ich bin so fix und ohne Umstände angezogen! Ich habe nämlich viel weniger Lust als früher, mir Mühe zu machen. Und klar, ich schätze auch Hosen, ich will ja nicht frieren, im Winter erfordern Kleider Strumpfhosen und manchmal Tapferkeit. Doch am liebsten laufe ich in gut geschnittenen, weich fließenden Kleidern durchs Leben. Vielleicht ist das auch etwas Französisches, aber in Kleidern fühle ich mich weiblicher. Das war mir früher nicht so wichtig. Heute macht es mir Spaß. (Arme Männer, dass sie solche Vergnügen nicht kennen, sondern immer das Gleiche tragen müssen …)
Welche Stilrichtung bevorzugst du? Hattest du modische Vorbilder?
Meine Stilrichtung ist klar, schnörkellos. Gute Schnitte und Materialien. Keine Rüschen, kein Glitzer, kein Chichi. Und kein Rot – einmal hatte ich in Paris keine Jacke dabei, ein Bekannter lieh mir eine, ausgerechnet eine rote Baseballjacke, ich fühlte mich stundenlang wie eine wandelnde Ampel.Beim Schreiben gibt es ein stilistisches Prinzip, das sich durch meine gesamte Arbeit zieht: Reduktion. Im Laufe der Jahre habe ich gemerkt, dass Reduktion nicht nur Texte besser macht, auch beim Kochen ist weniger oft mehr, in der Musik, in der Architektur und eben in der Mode. Vorbilder hatte ich dabei eigentlich nie, Ideen und Anregungen schwirren durch die Luft, mal bleibt eine hängen, mal eine andere, viele überleben sich wieder …
In selbstgenähten Klamotten (1993).
Es gefällt mir, wenn eine Frau weiß, was ihr gut steht, wenn sie ihren Stil hat, sich wohlfühlt und erkennbar kein Klischee oder Wunschbild vor sich herträgt. Solchen Frauen schaue ich gern zu, wenn ich ihnen auf der Straße begegne …
Aber es gibt auch Tage, an denen ich mich anziehe, weil man sich eben anzieht in Europa und weil ich nicht frieren will – Tage, an denen ich absorbiert bin von was auch immer sonst im Leben passiert. Denn so wichtig ist Mode auch nicht, bzw. sie ist kein Selbstzweck, finde ich. Eher Spaß, ästhetisches Vergnügen. Und ästhetisches Vergnügen ist eminent bedeutsam im Leben. Aber wenn es mal kurz ohne gehen muss, muss es mal kurz ohne gehen.
Hast du ein Lieblingskleidungsstück?
Ich habe eine seltsame Vorliebe für weite graue und braune Pullis, die so ziemlich das Gegenteil von femininen französischen Kleidern sind. Aber manchmal auch ein guter Bruch. Das sind die einzigen langlebigen Lieblingsstücke, die mir einfallen ...
"Ich hatte ein Faible für fast weiße Lippenstifte!" (1990)
Oh, und in meinen Zwanzigern und Dreißigern hatte ich ein ausgeprägtes Faible für Lippenstifte, vor allem für hell schimmernde, fast weiße. Wäre ich mit dem Flugzeug über der Wüste Gobi abgestürzt, ich hätte vielleicht kein Handy und keine Kreditkarte dabei gehabt, aber sicher ein bis drei Lippenstifte. (Heute wäre es umgekehrt, und wenn ich einen Lippenstift dabei hätte, wäre er orange/braun.)
Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun?
Ich möchte ja doch in Würde altern und manche Sachen fände ich einfach peinlich: Miniröcke, knappe Tops, grelles Pink – das sind Sachen für Zwanzigjährige, sie mit vierzig oder fünfzig oder sechzig zu tragen, finde ich daneben. Ich lebe ja mit fünfzig auch nicht wie mit zwanzig. Jede Dekade hat ihren Charme, ihre Themen, und es käme mir ein bisschen blöde vor, irgendetwas auszulassen, weil ich anderes zwanghaft ausdehne. Deswegen muss ich noch lange keine beigen Faltenröcke tragen …Und ich will auch nicht mit fünfzig wie mit dreißig aussehen müssen. In Südfrankreich sehe ich das öfter: Frauen, die so auf jung und sexy gebürstet sind, dass sie wie Karikaturen wirken. Albern. Unnötiger Stress zudem. Ein guter Friseur (meinen habe ich schon gefragt, ob er bitte nach mir sterben könnte), Make-up in Farben, die zur sich verändernden Haar- und Gesichtsfarbe passen, und gute Schnitte bei Kleidern – so kann man altern und trotzdem gut aussehen, finde ich. Von Männern erwarte ich auch nicht, dass sie mit fünfzig wie mit zwanzig aussehen. Ich erwarte nur, dass sie sich pflegen. Überhaupt: Gemeinsam kann man am gelassensten altern. Was soll man denn auch sonst tun?
Liebt Südfrankreich. Und Kleider. (Frankreich, 2008)
Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte?
In meiner Anfangszeit als Journalistin habe ich öfter Verbraucherbeiträge gemacht, auch mal einen über Antifaltencremes. Ein Interviewpartner erklärte, dass Kosmetik nur in die allerobersten Hautschichten eindringen dürfe, tiefer wirken dürften nur Medikamente. Da war eigentlich klar, was Cremes leisten können … Trotzdem bin ich, als ich meine erste Falte entdeckte, mit Blaulicht in den nächsten hypermarché gefahren und habe das Regal mit den crèmes antirides abgeschritten …Du bist auf Reisen und hast deinen Waschbeutel vergessen. Zahnpasta und Seife gibt es im Hotel. Auf welche drei (Kosmetik-)Produkte kannst du keinesfalls verzichten und kaufst sie sofort ein?
Feuchtigkeitscreme. Getönte Tagescreme. Deo.Würdest du dich für die Schönheit unters Messer legen? Oder Botox, Filler etc. nutzen?
Ich bin ein Spritzenschisser, schon beim Blutabnehmen. Messer mag ich erst recht nicht. Meinen Körper fand ich immer schön – wenn ich jetzt sehe, welche Veränderungen das Alter fordert, finde ich das schade. Aber nicht schmerzlich genug, um mich unters Messer zu legen, nee. Mit etwas Mühe gelingt mir ungefähr eine Haltung wie: Schade, schade, schade – aber andererseits hattest du lange einen schönen Körper, freu dich daran, ist ja auch nicht selbstverständlich.Hast du ein Schönheitsgeheimnis?
Glücklich leben? Ausreichend schlafen? Ein bisschen Wein, keine Zigaretten?
Schönheits„geheimnis": glücklich leben. (2005)
Was ist für dich die größte Herausforderung am Älterwerden? Und die schönste Überraschung?
Na ja, die größte Herausforderung ist wohl das eben beschriebene Schade-schade-schade … Und die Erkenntnis, dass ab jetzt körperlich nix mehr besser wird. Was ist das denn für eine Perspektive – dass es nur noch bergab gehen kann!? Die größte Überraschung: Wenn ich dann in den Spiegel gucke und mich trotzdem freue. Und wenn ich es hinbekomme, die eben beschriebene Demut zu halten.Als ich Anfang vierzig war, sagte eine Freundin einer Freundin in Frankreich mal: Les quarantes sont les meilleures – die Vierziger sind die besten Jahre. Sie hatte Recht. Der Körper ist noch ganz gut in Form, aber Milde, Reife und Entspanntheit des Alters sind auch schon zu spüren. (Als ich Huguette mit Ende vierzig wieder traf, sagte sie übrigens: Les cinquantes sont aussi pas mal – die Fünfziger sind auch nicht schlecht …)
Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet?
Nö.Danke für deine spannenden Antworten, liebe Sabine – und wie beruhigend, dass die Fünfziger auch nicht so schlecht sind! Darauf vertraue ich jetzt einfach mal ... :-)
***
Mehr spannende Interviews mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hinter diesem Klick.
9 Kommentare
am Montag, 02. November 2015 um 09:32 Uhr
Die liebe Sabine! Dass ich sie noch im Internet erleben darf… Du liest bestimmt mit, Sabine, ich finde, du passt sehr gut hier rein! Ich freue mich schon auf deine Website ;) Übrigens könnte ich mir dich problemlos im Minirock vorstellen - und ich kenne nur wenige Frauen über 50, von denen ich das vorbehaltlos sagen würde.
am Montag, 02. November 2015 um 20:55 Uhr
am Montag, 02. November 2015 um 11:29 Uhr
Sehr schönes Interview, Sabine (und Susi natürlich)! Aber jetzt packt mich gleich ein schlechtes Gefühl, weil ich mich mit ü50 immer noch nicht an knieumspielende Röcke gewöhnen kann. Ich finde sie etwas kürzer einfach immer noch schöner bei mir. Aber vielleicht meintest du mit Mini so richtig Minimini?? Ich denke auch, wie Britta, dass gerade du dir die kürzeren Röcke sehr gut leisten könntest und das gar nicht auf jung getrimmt aussähe.
Kleider entdecke ich jetzt komischerweise auch gerade für mich. Damit fühle ich mich einfach gut angezogen. Nur stehe ich dafür stundenlang in der Umkleidekabine, denn von 30 Kleidern passt mir mit Glück vielleicht eines so richtig. Ich hoffe, wir lernen uns endlich mal persönlich kennen, Sabine, damit ich dich in natura bewundern kann!
am Montag, 02. November 2015 um 21:01 Uhr
am Freitag, 06. November 2015 um 09:57 Uhr
am Montag, 02. November 2015 um 16:41 Uhr
Schönes Interview, da kommt so viel Frische über! Leider führt der Link mit den Corporate Storys zu Xing - war das so gemeint? Hätte mich doch interessiert, was das eigentlich ist,
danke für die tolle Reihe, Susi,
Nessa
am Montag, 02. November 2015 um 19:46 Uhr
am Montag, 02. November 2015 um 20:58 Uhr
am Montag, 02. November 2015 um 19:09 Uhr
Interessante Frau mit einer herrlich entspannten Einstellung zum Leben!!! Sehr sympathisch. Danke für das tolle Interview, an euch beide…! LG Anke