Frauen ab 50: Das Montagsinterview mit Dr. Anke Hedfeld.
Dr. Anke Hedfeld. Schon seit vielen Jahren ist sie meine Netzwerk-Kollegin. Ich hatte sie gedanklich immer als Sprachwissenschaftlerin abgespeichert – um so erstaunter war ich, als ich erfuhr, dass sie promotivierte Agrar-Ingenieurin ist. Diplom-Landwirtin, sozusagen. „Nach dem Abitur wollte ich eine angewandte Naturwissenschaft studieren. Da erschienen mir die Agrarwissenschaften mit ihrem breit gefächerten Inhalten ideal. Außerdem faszinierte mich die Idee, einen Beruf im Einklang mit den Jahreszeiten auszuüben – und zugleich einen für Frauen nicht ganz so typischen Beruf zu ergreifen.“ Zum Schreiben kam sie dann als Agrar-Journalistin. Im Laufe der Zeit gesellten sich dann weitere Branchen sowie Werbung, PR und Social Media dazu. Seit 2007 betreibt Anke in Dortmund ihr Reklamebüro: „Außer über Beauty-Produkte und Wellness-Hotels gibt es fast nichts, über das ich noch nicht geschrieben habe. Es waren auch schon Zahnarztstühle dabei.“ Und Stricktipps – denn Anke ist leidenschaftliche Strickerin. Und begeisterte Bloggerin: Auf different-affairs.de schreibt sie über das Leben und das Älterwerden ...
Dr. Anke Hedfeld, 50. (Foto: Susanne Kästner Werne)
... und das ist ja auch hier und heute unter anderem Thema!
Wie würdest Du Deine Einstellung zu Mode bezeichnen? Hat sie sich im Lauf des Lebens verändert?
Schwieriges Thema. Eigentlich mag ich den Begriff „Mode“ nicht. Der klingt so oberflächlich und kurzlebig. Dabei ist das bewusste Aussuchen von Kleidungsstücken ein fester Bestandteil meiner Tagesroutine. Ich bin der festen Überzeugung, dass unsere Kleidung mitbestimmt, wie wir uns fühlen und wie wir bei unserem Gegenüber ankommen. Als ich vor zwei Jahren nach einem Ausflug ins Angestelltensein beschloss, mich wieder selbstständig zu machen, war für mich die oberste Regel: Selbst wenn Du im Home-office arbeitest, ziehst Du Dich jeden Morgen so an, als würdest Du „zur Arbeit“ gehen.
Lieblingslook: Lederjacke zur selbstgestrickten Regenbogenstola (2015)
Schwierig ist für mich das Thema Mode aber auch wegen der oft beklagenswerten Umstände, unter denen Bekleidung gefertigt wird. Ganz zu schweigen von den Ressourcen, die alleine für den Anbau von Baumwolle draufgehen oder dem CO2, welches bei Produktion und Transport entsteht. Ich habe ein Jahr lang versucht, nichts zu kaufen, bin aber kläglich gescheitert. Der Reiz, sich mit einem Kleidungsstück, ein paar Schuhen oder entsprechenden Accessoires ein Stückchen zu verändern, war einfach zu groß.
Seit Neuestem schaue ich mich beim Kleiderkauf wieder gerne in Secondhand-Shops um. Inspiriert von der Hörfunkjournalistin Hindi Kiflai, die auf ihrem Blog dailyrewind.de täglich ein „thrifted outfit“ vorstellt, achte ich dabei insbesondere auf Stücke, die eigentlich gar nicht in mein Beuteschema fallen. Mit einer Nähmaschine lassen sich relativ einfach auch Teile nutzen, die nicht gleich passen – „refashion“ ist hier das Stichwort. Und dann gibt es noch meine Leidenschaft fürs Stricken, wofür es in meinen Augen bis heute keinen adäquaten industriellen Ersatz gibt. Mein ältester handgestrickter Pullover ist fast zwanzig Jahre alt, und ich trage ihn immer noch.
Welche Stilrichtung bevorzugst Du? Wie hat sich Dein Geschmack im Laufe Deines Lebens verändert? Hattest Du modische Vorbilder?
Für den Alltag mag ich sportliche, bequeme Kleidung, die allerdings nicht langweilig sein darf. Und sie muss geeignet sein, um sich zwischen Arbeit und Freizeit auch mal schnell aufs Fahrrad zu schwingen. Richtig laut schlägt mein Herz allerdings für einen klassisch femininen Kleidungsstil, gerade auch im Beruf. Mein klares Vorbild dabei ist Diane Keaton. Wie sie als Fannie Hall in Woody Allens „Stadtneurotiker“ Männermode mit einer bezaubernden und federleichten Andersartigkeit präsentiert, finde ich immer wieder umwerfend. Davon beeindruckt habe ich es in meinen 20ern und 30ern geliebt, Anzüge zu tragen. Dazu eine Satinfliege zur weißen Bluse: perfekt! (Die Krawatte erschien mir dann doch ein bisschen zu gewagt). Als Agrar-Ingenieurin wollte ich mich damals eher androgyn als weiblich kleiden.
Die Dreißiger: Hauptsache schnell, bequem, praktisch. (1996)
Mit 40 hat sich diese Einstellung allerdings geändert. Weiblich zu sein und das durch ein entsprechendes Outfit zu unterstreichen, kam mir da nicht mehr so abwegig vor und ich tauschte meine flachen Schuhe gegen Pumps, High Heels oder Stiefeletten mit höheren Absätzen. Bei Präsentations- oder Interviewterminen trage ich heute grundsätzlich hohe Schuhe, das macht mich einfach selbstbewusster. Insgesamt finde ich es spannend, wenn zwischen dem äußerlichen Erscheinungsbild und der eigentlichen Persönlichkeit ein gewisser Bruch besteht. Sehr stilprägend sind für mich die Sängerin Adele und ihre wirklich großartigen Bühnenoutfits. Diese Art von zurückhaltendem Glamour in einem perfekten durchdeklinierten Stilpaket gefällt mir sehr: die Frisuren, das Make-Up, die unglaublichen Kleider und dann diese Stimme – besser geht es nicht.
„Bis 40 mochte ich es lieber androgyn ..." (2006)
Hast Du ein Lieblingskleidungstück?
Es gab in meinem Leben schon viele Lieblingskleidungsstücke. Eins davon – heute frage ich mich: wieso? – war ein Trachtenjanker im kastigen 80er-Jahre-Schnitt. Was habe ich diese Jacke geliebt, denn die konnte man wirklich rund um die Uhr und zu jeder Gelegenheit tragen – jedenfalls, wenn man Landwirtschaft studierte. Was man auf dem Bild nicht erkennen kann, sind die Materialien: Leinen und Wildseide. Ein nicht gerade preiswertes Stück, das ich aber vor zehn Jahren dann doch in die Kleidersammlung gegeben habe.
Der geliebte Trachtenjanker – hier in Kombination mit der zugehörigen Hose. (1987)
Wie hat sich Deine Einstellung in den letzten Jahren zu Schönheit und Aussehen verändert? Inwieweit hat das mit dem Älterwerden zu tun?
Ich denke, sie hat sich nicht wesentlich verändert. Noch immer sind mir gepflegte und gut angezogene Menschen auf Anhieb am sympathischsten. Man könnte hinter dieser Haltung eine gewisse Oberflächlichkeit vermuten ... ich sehe das anders: Ein sorgsames Outfit oder Make-up stehen ja auch für die Achtsamkeit der eigenen Person gegenüber. Und das wiederum assoziiere ich mit einer generellen Aufmerksamkeit gegenüber der Umwelt und den Mitmenschen.Bist Du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst Du an die Möglichkeiten moderner Produkte?
Klare Antwort: Wasser-und-Seife-Typ.Ich habe das Glück, dass ich Zeit meines Lebens jünger geschätzt wurde, als ich tatsächlich war. Mehr als an die Kraft von teuren Anti-Aging-Produkten glaube ich an die Magie eines erfüllten Lebens, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und wenig Alkohol.
„Ich wurde immer jünger geschätzt als ich war." (2005)
Du bist auf Reisen und hast Deinen Waschbeutel vergessen. Zahnpasta und Seife gibt es im Hotel. Welche drei Kosmetikprodukte kaufst Du sofort ein?
Eine Nagelfeile, ohne die komme ich nicht durch den Tag, weil ich ständig mit den Nägeln irgendwo hängenbleibe. Außerdem die neobio Softhandcreme, denn ich kann das Gefühl trockener Hände nicht ausstehen. Diese Handcreme hat den schönsten Duft, den ich kenne und zieht wirklich sofort ein. Ach ja, und natürlich das Regenierende Gesichtsöl von Lavera. Während ich mich am Körper nicht regelmäßig eincreme, braucht mein Gesicht regelmäßige Plfege, weil meine Haut eher trocken ist. Das Gesichtsöl nimmt sofort jedes Spannungsgefühl und ich fühle mich taufrisch.Würdest Du Dich für die Schönheit unters Messer legen?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Von Besenreisern und Krampfadern – wenn ich sie denn hätte – mal abgesehen.Was ist für Dich die größte Herausforderung am Älterwerden? Und die schönste Überraschung?
Die größte Herausforderung ist für mich, gesund und leistungsfähig zu bleiben und mir meine Lebensfreude zu bewahren. Ach ja, und nicht zu viel Gewicht auf die Rippen zu bekommen. Das hat jetzt weniger mit dem Aussehen zu tun als mit den gesundheitlichen Auswirkungen. Wobei ich zugegen muss, dass ausgerechnet die paar Kilos mehr für mich eine der schönsten Überraschungen des Älterwerdens sind. Erst seitdem ich nicht mehr gertenschlank bin, erhalte ich Komplimente (von Frauen und Männern gleichermaßen) für mein Aussehen.
Die leidenschaftliche Strickerin! (2015)
Gibt es ein Mantra, das Dich durch Dein Leben begleitet?
#nerverstopexploring und „Man muss in das Gelingen verliebt sein, nicht in das Scheitern.“ (Ernst Bloch).Ein Leben in allzu enger Routine und Gleichförmigkeit wird mir schnell langweilig. Ich möchte mich, so lange es Körper und Gesundheit erlauben, immer wieder – im übertragenen Sinne – auf die Reise begeben und auch vermeintlich Bewährtes in Frage stellen. Und wenn ich schon dabei bin, Neuland zu entdecken, dann möchte ich in die beste aller Welten eintauchen.
Danke schön, liebe Susanne, für das tolle Interview. Es hat sehr viel Spaß gemacht.
Liebe Anke, ich habe zu danken! Danke für deine Zeit und deine spannenden Antworten!
***
Mehr spannende Interviews mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hinter diesem Klick.
13 Kommentare
am Montag, 18. Januar 2016 um 20:04 Uhr
Ein sehr interessantes Interview. Ich freu mich, dass ich dadurch Anke, deren Blog ich vor kurzem entdeckt habe, ein wenig besser kennen lerne.
Lieben Gruß
Sabine
am Dienstag, 19. Januar 2016 um 08:58 Uhr
Liebe Susi, ein großartiges Interview, einer superinteressanten Frau. Das Gefühl sich ab 40 weiblicher zu fühlen, kann ich total nachvollziehen. Und Ihr Mantra, liebe Anke, werde ich sofort übernehmen.
Herzlichen Dank für das Interview,
lieber Gruß - Conny
am Dienstag, 02. Februar 2016 um 12:03 Uhr
am Dienstag, 19. Januar 2016 um 09:33 Uhr
Agrarwissenschaftlerin - wie interessant! Wir haben übrigens die gleiche Einstellung zum Thema “Home-Office”: Ich kleide mich auch, als wenn ich zur Arbeit ins Unternehmen ginge. Naja, nicht immer Anzug und Kostüm, aber NIE Jogginghose (ich besitze gar keine) und NIE Schlafanzug. Der Blogname macht neugierig, man erwartet irgendetwas in Richtung “50 Shades”, dabei geht es um 50+ ;-). Ich werde da mal reinlesen. Also in den Blog. Ansonsten wie immer eine weitere Perle in der Reihe der Montagsinterviews.
Lieben Gruß,
Valérie
am Dienstag, 02. Februar 2016 um 12:01 Uhr
am Mittwoch, 20. Januar 2016 um 10:45 Uhr
... immer wieder schön zu lesen, auch in 2016. Danke für das neue Interview. Ach, da muss man doch gar keine Angst vor over50 haben :-) Das kann ja sogar richtig Spaß machen!
am Dienstag, 02. Februar 2016 um 11:59 Uhr
am Samstag, 23. Januar 2016 um 18:55 Uhr
Hallo,
ich bin zwar von der 50 immer noch ein ganzes Stückchen entfernt, aber ich liebe die Montags-Interviews einfach! Die Fotos, verteilt über die ganzen Jahre, einfach herrlich!
Anke macht Lust auf das Älterwerden - sie sieht immer besser aus!
LG Anne
am Dienstag, 02. Februar 2016 um 11:58 Uhr
am Samstag, 30. Januar 2016 um 12:34 Uhr
Wieder einmal ein spannendes Interview mit einer supersympathischen Gesprächspartnerin. Anke Hedfelds Blog ist ab sofort auf meiner Leseliste. Danke für den Hinweis. AnneH
am Dienstag, 02. Februar 2016 um 11:56 Uhr
am Dienstag, 02. Februar 2016 um 12:04 Uhr
Liebe Sabine, und ich freue mich, dass ich Dich auf diesem Wege kennelernen durfte.
LG und bis bald
Anke
am Donnerstag, 18. Februar 2016 um 07:57 Uhr
Hallo,
tolles Interview nur ein finde ich schade. Warum trauen sich moderne Frauen nicht Krawatte zu tragen. Gerade schmale Krawatten stehen sportlichen Frauen ausgezeichnet und Herrenkrawatten können dazu auch bestens zweckentfremdet werden.
VG