Frauen über 60: Das Montagsinterview mit Nessa Altura.
Der 50ste Geburtstag ist ein ganz besonderer. Doch während viele angesichts der nun definitiv überschrittenen Lebensmitte in Resignation verfallen und sich in erster Linie um die verstärkt auftretenden Zipperlein kümmern, startete Nessa Altura noch mal ganz neu: Nach 15 Jahren als Vollzeit-Mutter und Ehefrau wollte sie sich – ehemals Lehrerin für Deutsch, Englisch, Ethik und Geographie – nun mehr ganz auf ihre lebenslange Leidenschaft, das Schreiben, konzentrieren. Bestärkt wurde Nessa in diesem Entschluss durch eine schwere Krankheit mit Mitte 50 – die sie besiegte. Was davon allerdings blieb, war die entschiedene Hinwendung zu eigenen Projekten. Und der Wunsch, die nächsten zwei Dekaden zu „ihren“ Jahrzehnten zu machen und sich auf Menschen und Dinge zu konzentrieren, die sie interessierten und ihr wirklich Spaß machten,
Heute, mit 61 (es muss wirklich das Schreiben sein, dass die Frauen in meinem Umfeld so jung und schön hält!), blickt Nessa auf eine Vielzahl von zum Teil preisgekrönten Büchern und Kurzgeschichten, die sie auch online auf www.autorenexpress.de verkauft.
Nessa: 61 und wunderschön ... (Foto: Petra Busch)
Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert? Welche Stilrichtung bevorzugst du?
Ich glaube nicht, dass sich meine Einstellung stark verändert hat. Natürlich trug man, als man jung war, verrücktere Sachen - wie Schlaghosen oder ultrakurze Röcke mit Stiefeln und langem Militärmantel darüber … aber modisch besonders mutig war ich nie. Das ist schon eine Grundtendenz bei mir: gut aussehen, ja, aber auffallen, nein, doch eher nicht - und viel Zeit investieren, das eher auch nicht. Als ich noch unterrichtete, habe ich praktisch nur Hosen getragen … später dann habe ich die kleinen Kostümchen entdeckt. Die mag ich noch heute, obwohl sie mir jetzt nicht mehr so gut stehen, weil meine Taille nicht mehr so – vornehm ausgedrückt – definiert ist: knappe kurze Röcke, knappe Jacken. Sehr gerne von St Emile oder Marc Cain. Marc Cain deshalb, weil er einen gut bestückten Fabrikverkauf gleich in meiner Nähe hat. Taschen und Schuhe sind Accessoires, die ich modisch eigentlich nie bewältigt habe (im Gegensatz zu Hüten und Tüchern): Bei mir gibt’s nur flache bequeme Schuhe und Handtaschen, die Fashionistas nicht einmal anrühren würden.
Hast du ein Lieblingskleidungsstück? Wenn ja, welches? Und warum?
Ja, ich habe zwei ausgesprochene Lieblingsteile, beide schwarz. Das eine die Jacke aus Crinkle-Polyester vom Foto (von einer Radreise auf dem Jakobsweg). Die ist sicher 25 Jahre alt und von Issey Miyake, muss also mal teuer gewesen sein. Ich falte sie ganz winzig zusammen und stopfe sie in meine Radtasche. Sie hat auf diese unbequeme Weise schon x Länder befahren dürfen.
Mit Regenjacke von Issey Myake
Das zweite ist eine Art Spencer vom US-Label St John. Früher habe ich deren Teile einzeln und nach langem Nachdenken einmal im Jahr im Ausverkauf gekauft, weil sie affenteuer, aber so gut wie unzerstörbar waren. Und sind. Ich trage alle St Johns heute noch – sie wachsen irgendwie mit. Das ist ein bestimmter hart gezwirnter Strick, da ist kein einziger Euro aus dem Fenster geworfen. Und nichts drückt oder beult sich aus. (Die derzeitige Kollektion ist allerdings ziemlich scheußlich). Eigentlich bin ich nicht besonders markenfixiert, bevorzuge aber Hochwertiges, kaufe fast nur in Outlet-Centers, einmal im Jahr, weil ich Boutiquenbummeln nicht besonders leiden kann.
Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert?
Ich fürchte, man sollte mehr auf das Gepflegt-Sein achten, wenn man älter wird, was mir eher schwer fällt. Auf der anderen Seite ist es sehr angenehm, dass Druck wegfällt: Das Hübsch- (und wunderbarerweise auch das Nett-(!))Sein ist einfach keine Kategorie mehr, die ganz vorne zählt. Und: Ich möchte nicht von hinten jung aussehen und von vorne alt. Gemeint ist damit, dass bestimmte „junge“ Mode von mir jetzt eben doch nicht mehr als passend angesehen wird, selbst wenn es die Figur noch mitmachen würde.
In Griechenland Anfang der 70er. So cool ist man nur mit 20!
Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte? Hast du eine Lieblingsmarke?
Ich habe eine sehr trockene, dünne Haut, auch gefältelt, weil ich früher viel geraucht habe. Da gibt es für mich nichts Besseres als die reichhaltige Pflegereme von Lavera, auf die ich durch einen Beitrag von Stiftung Warentest aufmerksam geworden bin. Kostet im Reformhaus zwar ein paar Euro, enthält aber Jojoba-Öl und Shea-Butter. Letztere ist die Entdeckung der letzten Jahre: Ich kaufe sie in großen Tiegeln (zum Beispiel auf Afrika-Festivals oder in Bioläden) und streiche sie auf meine trockenen Beine und Arme. Das gibt eine Art Wachsfilm, der ein paar Duschgänge übersteht. Das ist mir wichtig, denn für ausführliche Schönheitsprozeduren fehlt mir die Geduld. Ich liebe aber Masken, egal welche – sie müssen nur schnell gehen. Mit meinem Haar war ich noch nie zufrieden, und das wird sich sicher auch niemals ändern. Mittlerweile bin ich eigentlich froh, dass ich überhaupt welches habe.
Nicht nur, aber auch: Bewegung und Lippenstift in Orange machen jung!
Hast du ein Schönheitsgeheimnis?
Ich glaube, es liegt im bewegten Leben. Bei mir heisst das: viel Sport (aber nur angenehmen) und Ortswechsel. Den Januar will ich in den Bergen leben und täglich auf der Loipe langlaufen. Das bedeutet ein ungeheures Naturerlebnis für mich – bei jedem Wetter, das Weiß ist immer wunderbar. Im Juni, dem für mich schönsten Monat des Jahres, will ich durch irgendein europäisches Land radwandern, will sagen: on the road sein, täglich wechselnder Schlafplatz, oft auch im winzigen radtaschenfähigen Zelt. Und im September am Mittelmeer faulenzen, kochen und schreiben. Um das hinzukriegen muss man höllisch planen, darf keine Kinder mehr zu Hause haben und braucht einen Mann, der pensioniert und willig (oder sogar - wie meiner - ziemlich fordernd) ist. Es geht, klappt aber natürlich nur, weil glückliche Umstände vorhanden waren (Ein Großvater kurte im Allgäu und verliebte sich in ein Bauernhaus, das sich nun eine Großfamilie teilt und zu meinem Glück will im Hochwinter da kein Mensch hin) … wie ich mich übrigens immer als einen vom Glück bevorzugten Menschen empfunden habe, mit gewissen Einbrüchen natürlich. Bedeutet natürlich auch, dass ich die übrigen Monate meist konzentriert am Schreibtisch verbringe.
Konkretere Schönheitstipps: orangefarbener Lippenstift macht jünger. Shapewear. Selbstbräuner von Sisley. Kreativ-Sein. Stetes Feng-Shui-Entrümpeln. Zugewandtes Publikum bei Lesungen erleben dürfen, das mir wohlgesonnen ist und mich zufrieden mit mir selbst macht. (Neulich hat eine Frau zu mir gesagt: „Sie sind aber mutig!“ – Das war das schönste Kompliment seit Jahren.) Tele-Gym in Bayern 3, jeden Morgen 7.15 bis 7.30 Uhr. Das ist so kurz, dass es nicht wirklich wehtut und man beginnt den Tag mit einem kleinen Erfolgserlebnis!
Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet??
Kein Mantra, aber Eigenschaften: Improvisationskunst und Zähigkeit. Und eine bestimmte gottgegebene Fähigkeit zur Verdrängung.
Danke, liebe Nessa, für deine offenen Antworten und die spannenden Einblicke! :-) ***
Mehr spannende Interview mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hier: Click and enjoy!
4 Kommentare
am Montag, 03. Dezember 2012 um 20:08 Uhr
Schon wieder so ein schönes Interview mit einer klugen und schönen Frau! Nessa, du musst dir gar keine Mühe machen aufzufallen, das passiert schon von ganz allein. Weiß jeder, der dir mal begegnet ist :-). Sehr schönes Interview, danke dafür.
am Dienstag, 04. Dezember 2012 um 09:50 Uhr
Das war ja mal sehr Interessant und hat mir selbst als Mann sehr viel Spaß gemacht zu lesen ;-)
am Mittwoch, 05. Dezember 2012 um 01:40 Uhr
Sehr cool, das Outfit mit Crinkle-Jacke und Schiebermütze!
am Mittwoch, 05. Dezember 2012 um 11:04 Uhr
Das florale Outfit aus Griechenland war auch ganz weit vorne, zumindest damals. Aber heute finde ich Nessa noch cooler.