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Frauen ab 50: Das Montagsinterview mit Dörte Behrmann.

Dörte Behrmann - und wieder ein Fall von großäugigem Staunen, welch unterschiedliche, bunte Lebensläufe hinter Menschen stecken. (Mittlerweile kommt mir mein eigenes Leben teilweise geradezu langw ... geradlinig vor. ;-))

Geboren in einem kleinen Dorf an der Elbe, aufgewachsen in Bremerhaven. Nach dem Abitur ein kurzes Intermezzo im Bereich Hotelfach, bevor sich Dörte dann doch für ein Literatur- und Geschichtsstudium in Karlsruhe entschied. Danach Pressereferentin für das Schleswig-Holstein Musik Festival und die Arbeit mit Justus Frantz und vielen Weltstars. Mitte der Neunziger der Wechsel nach Berlin, der Aufbau der eigenen PR-Agentur energa. 2005 der Rück-Zug nach Bremerhafen, 2011 ein weiterer Umzug, diesmal in die Nähe von Osnabrück, der Liebe wegen ... 18-mal ist Dörte in ihrem Leben bislang umgezogen, zweimal hat sie geheiratet, zweimal wurde sie geschieden.

Dörte Behrmann - seit letzter Woche ist sie 50.

"Älterwerden ist ein Prozess, dem ich mich sehr gerne hingebe. Falten. graue Haare oder schlaffere Konturen schrecken mich nicht", sagt Dörte zum Thema Älterwerden. Wow. Das ist mal eine spannende Ansage. Aber wenn ich mir Dörte, die Mitte der Woche übrigens 50 wurde, anschaue, denke ich, die Strategie ist richtig.

Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen oder beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert?

Oh ja, Mode ist ein wichtiges Thema für mich und hat sich in seiner Bedeutung für mich immer wieder verändert.

Meine Mutter war es, die mich als Elfjährige dazu brachte, die bei mir damals so beliebten karierten Stoffhosen aus- und stattdessen Jeans anzuziehen. Ein Jeanshemd musste es dazu dann auch noch sein! An all das habe ich mich nur zögerlich gewöhnt. Diese Betonung der Körperform – huch! Aber es liefen ja fast alle so rum. Immerhin, das Interesse für Klamotten war geweckt.

Als Teenager habe ich dann die Brigitte verschlungen, ebenso die Freundin, vor allem wegen der Mode. Aber so sehr sie mich auch faszinierte, so wenig habe ich sie auf mich bezogen. Kam gar nicht in Frage, sich so teuer, so ungewöhnlich und so auffällig anzuziehen. Einerseits.

Andererseits war da durchaus die Sehnsucht, gesehen zu werden. Und ich denke, das will letztendlich jede und jeder: wahrgenommen werden. Wobei ich genau davor zugleich die größte Angst empfand. Das ist schon ein sehr paradoxes Thema. Als Teenager und junge Frau habe ich es so gelöst, dass ich selber genäht und gestrickt habe. Einfache, gerade Schnitte, aber mit besonderen Farben oder Muster.

1984: Queen of Stricknadel (und Schmollmund).

In den 80er- und 90er-Jahren war es schwer, sich den extremen Mode-Formen zu verweigern. Ich erinnere mich an enge Cordjeans, die wir Mädels noch enger abnähten – wer dazu gehören wollte, hat das getan, egal wie die Beine aussahen. Auch knallige Farben wanderten in meinen Kleiderschrank. Pink war über lange Jahre meine absolute Lieblingsfarbe.

Heute interessiert mich Mode á la Laufsteg als Kaufanreiz nur begrenzt. Spannend finde ich allerdings den gesellschaftlichen Kontext von Mode, welche Trends der Selbstpräsentation sie setzt und wie der Umgang mit den Materialien ist. Momentan sehe ich enorm viel Strick (was mir ja gut gefällt), viele Frauen und auch Männer greifen wieder zur Stricknadel. Diese Sehnsucht nach dem weichen, wolligen, dem kuscheligen und selbstgemachten verstehe ich als Kontrapunkt zur Hetze des Alltags, zur von vielen Menschen empfundenen Kühle in unserer Gesellschaft und zum schier endlos angebotenem Maschinellen.

Mir gefallen weiche Stoffe, ich mag Strick, aber auch weiches Leder. Blaue Jeans trage ich gar nicht, die mag ich nicht, auf Hunderunden aber gern schwarze. Highheels schaue ich super-gerne an (darin eine Offenbarung: Shanghai!) aber ich trage lieber flachere Schuhe oder nur kleine Absätze.

Mittlerweile kann ich mir körperbetonte Kleidung und auch ungewöhnliche Formen an mir vorstellen. Bei einer kleinen privaten Tauschbörse habe ich ein asymetrisches Oberteil aus anschmiegsamen Shirtstoff in dunklem Lila ergattert – das gehört mit zu den Stücken, zu denen ich Mut brauche, aber das gerade auch deswegen ein Lieblingsstück geworden ist.

Welche Stilrichtung bevorzugst du? Wie hat sich dein Geschmack im Laufe deines Lebens verändert – und warum?

Marine war lange Zeit ein wichtiges Modethema für mich. Hellblau, dunkelblau gemixt mit weiß und rot. Es sah immer frisch aus, verdeutlichte meine Verbundenheit zur Nordseeküste und ich war immer „richtig“ angezogen. Dann kam Pink. Es folgt die Zeit der Naturfarben und -Fasern. Dann kam Kuddelmuddel und heute mag ich es klassisch mit einem Schuss Originalität. Vor allem aber: Rot!

Die pinke Phase ...

Hattest du modische Vorbilder? Personen oder Persönlichkeiten, die deinen Stil geprägt haben – oder eine modische Ära?

Marlene Dietrich ist eine der Frauen, deren Stil ich sehr bewundere. Aber ich in Marlene-Hosen – leider steht mir der Schnitt ganz und gar nicht. Als Kompromiss bevorzuge ich Hosen mit gerade geschnittenen Beinen.

Neben der maskulinen Seite von Marlene stehe ich total auf den Stil von Hannelore Elsner, für mich eine der „Ur-Weiber“ der Gegenwart. Schwarze, enge Strickkleider, Lackmäntel mit körperbetonten Strickpullis, schmale, lange Röcke, hohe Schuhe – wie sie ihr Frau-sein betont, bewundere ich.

Hast oder hattest du ein Lieblingskleidungsstück? Wenn ja, welches? Und warum?

In Sachen Lieblingsstück bin ich eine serielle Monogamistin: Immer eins zur Zeit, aber viele nacheinander. Seit rund zwei Jahren liebe ich ein rotes Oberteil von Desigual, mit dem ich mich auch für meine Website habe fotografieren lassen. Es hebt meine Laune sofort, ich fühle mich darin total lebendig und bereit zu großen Taten. Zum Glück hat es eine gute Qualität, ist schnell gewaschen und leicht gebügelt.

Das Blau steht ihr gut! Und kurzhaarig auch!

Viel wichtiger aber als Kleidung sind mir meine Haare. Ich hatte sie schon kurz, lang, glatt, dauergewellt, rot, schwarz, vor allem aber in meiner Naturfarbe „Straßenköterblond“. Und irgendwann trage ich sie wohl in grau. Gut frisiert zu sein ist mir total wichtig und wenn ich strubbelig aussehe, dann gehe ich „schwanger“ mit wichtigen Gedanken oder Entscheidungen. Dann bin ich im Inneren und mir fehlt der Blick für mein Äußeres.

Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun?

Älterwerden ist ein Prozess, dem ich mich sehr gerne hingebe. Falten. graue Haare oder schlaffere Konturen schrecken mich nicht. Ich arbeite gern und viel an mir, meiner mentalen Seite. Und jetzt im Alter von gerade 50 Jahren spüre ich eine Gelassenheit und zugleich innere Autonomie, die ich so bislang nicht hatte. Das fühlt sich einfach herrlich an. Für mich heißt älter zu werden mehr und mehr zu mir zu kommen, genau das verstärkt auszudrücken und mich immer weniger am Äußeren und an Anderen zu orientieren. Mein Blick wird offener, klarer, fester. Und da wahre Schönheit ja von Innen kommt bin ich wohl auf dem Weg, eine wirklich schöne Alte zu werden ;-). In meiner Jugend fand ich mich jedenfalls nicht hübsch, im Gegenteil. Mich auf Fotos gerne anzusehen ist ein recht junges Phänomen. Aber ich entdecke auf den Aufnahmen auch die Blockaden, die ich mir früher selber gebaut habe und das Altern erlaubt mir, diese Blockaden nach und nach abzubauen.

2002: Frau mit Hut!

Bestes Beispiel: Röcke und mehr noch Kleider. Leider hat mir mein Vater „Fußballerbeine“ vererbt und meine Waden sind sicher das Unansehnlichste an mir. Seit gefühlt einer Ewigkeit habe ohne dunkle (=schlankmachende) und blickdicke Strumpfhosen weder das eine noch das andere getragen. In diesem Frühjahr habe ich mir erstmals für eine Tourismusmesse ein Etuikleid samt Blazer gekauft – und finde mich auch ganz chic darin. Nur die passenden Schuhe und Strümpfe für den eleganten Auftritt fehlen noch. Auf der Messe waren bequeme Treter angesagt.

Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte?

Unbedingt Wasser, aber niemals Seife. Meine Haut neigt zur Trockenheit und spannt gern, wenn ich überfürsorglich bin. Getrieben von der Neugier und der Suche nach der perfekten Mischung aus „riecht gut“, „verstreicht sich gut“ und „bezahlbar“ habe ich in den letzten Jahren über Markenprodukte von L’Oréal bis hin zu Nivea und über sämtliche Biomarken schon alles ausprobiert.

1989: Studentin und Rapunzel!

Mittlerweile bin ich bei der Eigenmarke von Rossmann „Alterra Hydro Tagescreme“ mit Traube und weißem Tee gelandet. Das beantwortet die zweite Frage: Die Laborkosmetik gibt mir, was ich brauche, wobei ich eigentlich lieber ein Bioprodukt hätte, aber die waren alle zu reichhaltig oder nicht ausbalanciert genug. Dabei rochen die Produkte so gut!

Du bist auf Reisen und hast deine Waschbeutel vergessen. Welche drei (Kosmetik-)Produkte kaufst du sofort?

Das kann mir eigentlich nicht passieren, weil ich täglich ein Medikament nehmen muss. Aber wenn, dann würde ich sofort die oben genannte Creme holen, alles für die Zahnpflege und den Lippenstift „Balance Lip“ in „rapberry“ von Alcina. Ohne den läuft abseits vom Schreibtisch gar nix.

Hast du ein Schönheitsgeheimnis? Lachen, lachen, lachen! Nichts macht schöner. Und frische Luft: Ich gehe täglich mit meinem Hund mindestens eine Stunde spazieren. Auch ausreichend Schlaf ist mir wichtig.

Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet?

Ein Spruch von Louis Sepúlveda begleitet mich schon seit Jahrzehnten: „Es fliegt nur der, der sich zu fliegen traut.“ Das verstehe ich als tägliche Motivation, innere und äußere Hemmungen abzubauen, immer wieder meinen Mut, der ja da ist, zu sammeln und Neues, Unangenehmes, Angstmachendes anzupacken. Der Lohn für den Ruck ist so großartig: ein inneres Freiheitsgefühl, wie man es auch beim Flug über die Wolken empfindet. Oder am Meer.

Danke für deine Zeit, liebe Dörte, und dein inspirierendes Mantra! Auf dass viele Frauen ihren Mut sammeln und losfliegen!

***

Mehr spannende Interview mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hier: Click and enjoy!

5 Kommentare

Ivana
am Montag, 18. November 2013 um 09:45 Uhr

Guten Morgen,
ich finde Dörte ganz wunderbar und irgendwie erfrischend. Ich liebe das 2002 Foto! Vielen Dank für das schöne Interview :)

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Barbara Maria Zollner
am Montag, 18. November 2013 um 11:53 Uhr

Vielen Dank für das herzerfrischende Interview - toll wäre ein Audiofile mit Dörtes schöner Stimme und ihrem ansteckendem Lachen als Schönheitsmittel zum Abruf ;-)

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Jette
am Dienstag, 19. November 2013 um 10:02 Uhr

Und ich bin im Vorteil, denn ich habe Dörte live erlebt! “Es fliegt nur der, der sich zu fliegen traut”. Danke, Dörte. Das werde ich mir merken!

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Farbenfreundin
am Donnerstag, 21. November 2013 um 13:46 Uhr

Wunderbar! Ja, da freut man sich doch regelrecht aufs Älter werden.

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Heidrun
am Sonntag, 24. November 2013 um 16:30 Uhr

Dörtes Lachen ist ihr schönstes Accessoire!

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