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Frauen über 50: Das Montagsinterview mit Prof. Dr. Nicole Mölders.

Modeblogs von und für Frauen ab 40 gibt es mittlerweile ziemlich viele. Ich habe den Überblick schon längst verloren – wenn ich ihn überhaupt jemals hatte. Blogs kommen und gehen, ich lese ohnehin nur eine Handvoll, und das reicht mir auch. Wenn ein Modeblog allerdings von einer Professorin für Atmosphärische Wissenschaften, die in Alaska lebt, forscht und lehrt, geschrieben wird – dann gucke ich schon mal genauer hin. Nicole Mölders ist in Deutschland aufgewachsen, hat in Deutschland, Frankreich und in den USA studiert und ist 2001 mit ihrem Mann nach Fairbanks, Alaska, gezogen. In die „Eisbox“ wie sie sagt. „Im Jahr 2000 war ich auf einer Art Sabbatical am National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado. Dort lief mir eine Stellenausschreibung für eine Professur an der Uni Fairbanks über den Weg, die perfekt auf mich passte. Ich rief meinen Mann an und er sagte, bewerb dich doch. Ich sagte, die Stelle ist aber in Fairbanks. Er: Bewerb dich. Ich: Du weißt, dass Fairbanks in Alaska ist? Er: Bewerb dich. Nun, ich habe mich beworben und die Stelle bekommen." Seitdem lehrt und forscht Nicole in Fairbanks über die Luftqualität in Alaska – und darüber, wie sich unser Leben (durch Heizungen, Waldbrände und andere Emissionen) auf die Atmosphäre auswirkt und unsere Luft belastet.

Nicole Mölders, 53, Professorin an der Universität Fairbanks, Alaska

Prof. Dr. Nicole Mölders, 53.

Warum sie ein Modeblog führt? „Für Mode habe ich mich immer schon interessiert. Aber dann kam der Tag, an dem ich in der Zeitung las, dass die Alaskaner die am schlechtesten gekleideten Menschen in den USA seien. Wer das geschrieben hat, hat wohl noch nie in einen Alaskanischen Kleiderschrank geschaut! Und das wollte ich ändern.“ Seitdem schreibt sie auf High Latitude Style über Mode. Und über Alaska. Und über Mode in Alaska! Was für ein Mix!

Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen oder beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert?

Ich liebe schöne Kleidung, immer schon. Leider hatte meine Mutter eine ganz andere Vorstellung davon, was schön ist. Meine Lieblingsfarbe war immer schwarz, gefolgt von rot. Und das Rot musste unbedingt einen Blaustich haben. Meine Mutter hingegen liebte Rüschen, kleine Blumenmuster im Laura-Ashley-Stil, weite Ärmel, und flache Schuhe. Sonntags waren weiße Strumpfhosen angesagt. Als ich eine Jeans haben wollte, bekam ich eine dottergelbe Hose. Meine erste Jeans hatte ich mit 14 – ich habe sie aus einem Altkleiderbeutel gezogen.

Nicole Mölders im Montagsinterview bei Texterella

Bohemian Style in den Siebzigern.

Während meiner Gymnasialzeit pflegte ich einen Bohemian-Stil und trug oft Röcke und Kleider, weil ich die Jeans-Parka-Turnschuh-Uniform meiner Generation ja nicht im Schrank hatte. An der Uni schließlich bin ich hauptsächlich in der Motorradlederhose, die meinem Bruder zu klein geworden war, herumgelaufen – mit hohen Absätzen, taillenlangen Haaren, Wildlederbomberjacke und langen Ohrringen. Als Doktorandin wurde meine Garderobe etwas vielfältiger. Anzug und Kostüm kamen hinzu, der typische 80ziger-Jahre-Bankerlook, mit Stiefeletten und Pumps. In den 90ziger Jahren trug ich fast nur Schwarz mit Schuhen, Schals oder Ketten als Farbtupfer. Stiefeletten und Schuhe mit Riemchen und Schnallen blieben. Mein „American Classic with a twist to Rock’n Roll“ war die logische Weiterentwicklung, als ich nach Alaska kam. Nach wie vor liebe ich hohe Absätze, Stiefeletten, taillierte Schnitte sowie mein Lieblingsmaterial Leder.

Liebt Rot und Schwarz und Stiefeletten. (2015)

Alaska stellt an Kleidung natürlich nochmal besondere Ansprüche: In Fairbanks kann die Wintertemperatur 100 Grad Celsius niedriger sein als die Sommertemperatur. Die Kleiderschränke sind aber ganz normalgroß. Um diesen gesamten Temperaturbereich abzudecken, muss man den Lagenlook ziemlich gut beherrschen oder man sieht 20 Pfund schwerer aus, als man ist. 

Welche Stilrichtung bevorzugst du? Wie hat sich dein Geschmack im Laufe deines Lebens verändert – und warum? Was hast du in den 20ern/30ern/40ern getragen? Hattest du modische Vorbilder? Personen oder Persönlichkeiten, die deinen Stil geprägt haben?

Ich finde eigentlich alle Stilrichtungen schön, wenn sie zur Trägerin passen, sie widerspiegeln. Wenn man eine romantische Person ist, womöglich noch mit Locken, dann sieht ein romantischer Kleidungsstil selbst über 40 noch großartig aus. Aber ich war nie romantisch. Daher fühlte ich mich in den romantischen Klamotten, die meine Mutter kaufte, ausgesprochen unwohl. Meine Bohemian-Phase war eher notgedrungen und von meinen Lebensrealitäten gesteuert: Ich hatte kein Geld für Kleidung, konnte aber den Kleiderschrank meiner Oma ausräumen, die Sachen etwas verändern und dann tragen. Die Stilikone in meiner Familie war meine Urgroßmutter. Sie trug, was ihr gefiel – und das in einer Zeit, in der Witwen und Frauen über 80 schwarz oder dunkle Kleidung zu tragen hatten. Ihr Stil glich ein wenig dem der verstorbenen Queen Mum. Dabei ist nicht ihr Stil mein Vorbild, sondern ihre Haltung: Frau trägt, was frau gefällt. Daneben gefiel und gefällt mir auch der Stil von Kate Moss, Jackie Onassis, Claudia Schiffer, Victoria Beckham, Leandra Medine, Emanuelle Alt und Pippa Middleton.

Hast du ein Lieblingskleidungsstück?

Eins? Mehrere! Ich habe ein Lieblingstanzkleid, ein Lieblingsrock, eine Lieblingslederjacke, ein Lieblingspaar Schuhe ... du verstehst, was ich meine. Insgesamt betrachtet, denke ich, ist es mein Tweed-Rock.

Lieblingsstück: der Tweedrock! (2015)

Dieses Photo zeigt meinen Lieblingsrock mit Lieblingstop und Lieblingsschuhe. Mein Lieblingsgürtel passt da leider nicht zu. Haha.

Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun?

Gar nicht. Ich finde Pickel immer noch nervig und ausgesprochen hässlich. Aber Falten? Erdfalten sind besorgniserregend, zum Beispiel die St.-Andreas-Falte oder die Denali-Falte. Wer findet einen Babyelefanten nicht süß? Wer kann einem Babyäffchen widerstehen? Beide haben total viele Falten. Sieht Sean Connery in „The Hunt for Red October“ nicht wesentlich besser aus mit seinen vielen Falten als als „Bond. James Bond“? Warum sollten dann die Falten bei Frauen stören? Wir haben sie uns hart durch Lachen erarbeitet!

„Zwischen Alaska im Winter ... (2001)

Was ich allerdings ziemlich nervig am Älterwerden finde, ist das Schrumpfen der Arme (aka „Lesebrille“) und dass ich innerhalb der letzten fünf Jahre jede Menge Lieblingsteile weggeben musste. Ich habe die Pille abgesetzt und mein Gewicht ging wieder auf das zurück, das ich vor der Pille hatte. Da passte nichts mehr. Im letzten Jahr hat sich meine Figur wieder verändert. Bei der Körbchengröße bin ich jetzt zwischen AA und A, früher war ich B. Das Gute daran: Was klein ist, bewegt sich nicht gen Süden – und es gibt ja Wonderbra.

Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte?

Ich glaube an Wasser, Duschseife und In-der-Dusche-Lotion von Olay und jede Menge Feuchtigkeitscreme (z. B. von L’Oreal). In Zentralalaska ist es so trocken, dass man sich ohne Feuchtigkeitscremes kaputt kratzen würde. Rund ums Jahr Sonnencreme, weil das bisschen Sonne im Winter auf dem Schnee reflektiert wird und man sich dadurch einen Sonnenbrand holen kann.

... und im Sommer liegen 100 Grad Celsius. (2002)

Botox? Nein, danke. Wer will denn mit einem eingefrorenen Gesicht herumlaufen? Da kann frau ja gleich eine Maske tragen.

Du bist auf Reisen und hast deine Waschbeutel vergessen. Zahnpasta und Seife gibt es im Hotel. Auf welche drei (Kosmetik-)Produkte kannst du keinesfalls verzichten und kaufst sie sofort ein?

Lippenbalsamstift von Nivea „A Kiss of Cherry“, Mascara und Augenbrauenstift von Maybelline. Den Lippenbalsam würde ich dann einfach auch als Rouge verwenden.

Würdest du dich für die Schönheit unters Messer legen? Oder Botox, Filler etc. nutzen?

Auf keinen Fall.

Hast du ein Schönheitsgeheimnis?

Tanzen macht schöne Beine. Ich esse gerne Gemüse, am liebsten roh. Ach ja, ich habe eine grüne und eine blaue Kontaktlinse.

Was ist für dich die größte Herausforderung am Älterwerden? Und die schönste Überraschung?

Die größte Herausforderung: Sich nicht hängen zu lassen, wenn es mal zwickt, sondern trotzdem weiter seinem Lieblingsport nach zu gehen.

Schönheitsgeheimnis Tanzen. Macht schöne Beine. (2014)

Die schönste Überraschung: Dass ich es gut finde, nicht mehr 20, 30 oder 40 zu sein, sondern – wie damals – zufrieden bin mit dem, was ich bin und mich immer noch auf die Zukunft freue, auf das, was da noch kommt. Außerdem fühle ich mich morgens nicht älter als gestern. Haha. Ohnehin finde ich mich nicht alt. Da sind ja welche, die noch mehr Jahre auf der Welt sind. (Die Frage ist nur, wie es ist, wenn das mal nicht mehr so ist.)

Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet?

Ich liebe zu lernen, bin „curious“, bleibe neugierig auf Neues. Vielleicht ist Mode deshalb so richtig und wichtig für mich. Liebe Nicole, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast! Und vielen Dank für deine spannenden Antworten! Es ist mir eine große Freude, dich in meiner Montagsinterview-Reihe dabei zu haben!

***

Mehr spannende Interviews mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hinter diesem Klick.

8 Kommentare

Valérie von Life40up!
am Montag, 18. April 2016 um 09:20 Uhr

Ich verfolge Nicoles Modeblog schon eine Weile und finde die Kombination “Alaska + Mode” ganz großartig. Außerdem hat Nicole Humor und strahlt Lebensfreude aus, und alleine das macht einen Menschen ja unwiderstehlich. Ach ja, intelligent ist sie auch noch. \o/ Wie immer: toll ausgesucht, liebe Susi!

Liebste Grüße,
Valérie

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Anna
am Montag, 18. April 2016 um 09:44 Uhr

Da habe ich gedacht, dass ich bereits genug Modeblogs in meinem Feedreader habe, aber nein. “Mode in Alaska” hatte ich tatsächlich noch nicht auf dem Radar. ;) Wird sich ab sofort ändern.

Lieben Gruß,
Anna

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Ulrike
am Montag, 18. April 2016 um 12:26 Uhr

Wie toll! Ich habe aus unerfindlichen Gründen eine Schwäche für Alaska und ihre Bewohner.

Vielleicht liegt es an der TV Serie “Ausgerechnet Alaska” aus den 90ern, über die keiner meiner Freunde lachen konnte, ich mich aber total mit den Typen dort verbunden gefühlt habe.

Dass es dort eine deutsche Modebloggerin gibt, hat sicher nicht nur mich überrascht. Eine coole Mischung, danke, dass Du sie uns vorgestellt hast Susanne und danke an Nicole für den Hinweis mit den schrumpfenden Armen. Ich dachte es wären meine Augen, aber Sie sind ja die Wissenschaftlerin und kennen sich da besser aus ;)

Eine schöne Woche allen!
Ulrike

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regina
am Montag, 18. April 2016 um 14:23 Uhr

“In Fairbanks kann die Wintertemperatur 100 Grad Celsius niedriger sein als die Sommertemperatur.”

frage mich ganz irritiert, wie heiß und wie
kalt es bei dieser differenz werden kann.

unter temperaturschock
regina

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Nicole Mölders
am Dienstag, 19. April 2016 um 03:28 Uhr
Die Rekorde waren 37°C am 28. Juli 1919 und −54 °C am 14. Januar 1934. Im Moment (5:26 Nachmittag) sind es 9C. Heute Nacht waren es -4C.

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Nicole Mölders
am Dienstag, 19. April 2016 um 03:30 Uhr
In Fahrenheit sind das dann 100.

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Annette
am Dienstag, 19. April 2016 um 19:50 Uhr

Da ich mit meinem Blog ja sehr international unterwegs bin, “kenne” ich Nicole schon seit ein paar Jahren. Als reiner Sommertyp, dem schon hier in Bayern die winterliche Kälte und Schnee unheimlich zusetzen, bewundere ich Nicole wirklich, diese extrem kalten Temperaturen auszuhalten!

Tolle Einstellung zu Falten und was “unters Messer legen” betrifft, sind wir auch einer Meinung :-)

Was mich noch interessiert: Wirst Du dauerhaft in Alaska bleiben, Nicole?

Danke, Susi, dass ich hier etwas mehr über Nicole erfahren durfte!

LG
Annette | Lady of Style

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Tina von Tinaspinkfriday
am Mittwoch, 20. April 2016 um 16:44 Uhr

Ich liebe Nicoles Blog und lese ihn seit sie mich mal im Netz entdeckt hat. Danke für das schöne Interview. Man lernt eine Person so gleich nochmal besser kennen.
Liebe Grüße Tina

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