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Frauen ab 40: Das Montagsinterview mit Annette Jarosch.

Öfter mal scharf abzubiegen ist in ihrem Leben Programm. Beruflich. Privat. In der Ernährung. Und bei den Haarfarben. So hatte Annette Jarosch ursprünglich Mediengestalterin und Produktionierin gelernt, landete dann mehr zufällig beim Text und hat sich mit BAW-Studium und vielen 70-Stunden-Wochen in großen Münchner Agenturen bis zum Creative Director hochgearbeitet – als sie dann oben angekommen war, mochte sie ihre Job so gar nicht, kündigte und machte sich 1999 als Texterin und Konzeptionerin selbstständig. Das war eine sehr gute Idee, denn ihre Kundenliste enthält das ganze Spektrum großer Namen. Privat war sie zweimal verheiratet – einmal mit einem Mann, und jetzt mit ihrer Frau: “Ich verliebe mich immer in den Menschen, unabhängig vom Geschlecht.” Während sie bis vor einigen Jahren hin und wieder gern in ein saftiges Steak biss, kam sie über den Vegetarismus 2011 zur veganen Ernährung. Und dass sie auch bei ihrem Aussehen einige radikale Veränderungen hinter sich hat, besonders bei der Haarfarbe, sieht man ja anhand der Fotos.

Annette Jarosch, 48: "Ich biege im Leben gerne mal scharf ab!" (Foto: Stefanie Grewel)

Interessanterweise fügen sich bei Annette all diese Brüche zu einem sehr stimmigen Ganzen. Als hätte sie einfach sehr viel ausprobieren müssen, um bei sich anzukommen. Und bei der Mode? Liebt sie bis heute Stilmixe und Kontraste ... Aber lies selbst! :-)

Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen oder beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert? Mit meiner Körpergröße von 154 cm hatte ich immer schon ein sehr spezielles Verhältnis zur Mode! Ich musste immer sehr auf die Proportionen achten – was mir früher manchmal so gar nicht gelungen ist, wie man auf den Bildern deutlich sehen kann. Da habe ich den 80ern viel zu oft gnadenlos riesige Schulterpolster getragen, die mich optisch breit wie lang gemacht haben! Und noch in den 90ern habe ich mich geschminkt, als gäbe es kein Morgen mehr! Wenn ich die Bilder heute sehe, muss ich lachen ... wie konnte ich nur! Sicher gab es Menschen, die mich damals vor solchen modischen Fehlentscheidungen gewarnt haben, doch die habe ich – stur wie ich war – geflissentlich ignoriert!

80er-Modesünden: "Sicher gab es Menschen, die mich gewarnt haben ..." 

Was in den 80ern, in der Findungsphase zwischen Öko-Freak und Popper plötzlich wichtig wurde, waren Marken. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich aufgrund akuter Budget-Ebbe von einer alten Tennis-Short meines Vaters ein Lacoste-Krokodil abtrennte, um es auf meinen dunkelblauen Pullunder zu nähen. Wie peinlich. Heute bin ich da viel entspannter. Überteuerte Marken kaufe ich so gut wie überhaupt nicht mehr, Qualität dagegen schon. Ich entscheide mich inzwischen lieber für weniger, aber schöne Teile. Mehr hätte in meinem Schrank auch keinen Platz, er ist gerade mal 1 Meter breit.

Welche Stilrichtung bevorzugst du? Wie hat sich dein Geschmack im Laufe deines Lebens verändert? Ich liebe Stilmix und Kontraste. Am liebsten trage ich Teile, die auf den ersten Blick überhaupt nicht zusammenpassen: Die Blumenbluse zur derben Lederjacke, das klassische schwarze Sakko mit weißer Bluse zur löchrigen Jeans oder das Ringel-Shirt zum Tupfen-Tuch ... Das erzeugt in meinen Augen eine modische Spannung, die gut zu meinem Typ passt. Zudem mag ich weiße Blusen und inzwischen auch bunte Farben, ruhig auch mal gewagt kombiniert. Früher habe ich da endlos experimentiert, auch mit meinen leider sehr feinen Haaren. Von Schwarz über Rot bis zum endgültigen Blond habe ich alle Farben und Schnitte zwischen ganz kurz und schulterlang ausprobiert. Das ist zum Glück vorbei. Insgesamt bin ich modisch gelassener geworden, denn ich weiß, dass ich immer auf der sicheren Seite bin, weil sowieso niemand um mich herum so kritisch ist, wie ich selbst!

Hattest du modische Vorbilder? Personen oder Persönlichkeiten, die deinen Stil geprägt haben – oder eine modische Ära? Ich fand schon immer Frauen mit kurzen Haaren toll. Jean Seberg oder Annie Lennox sind hier beste Beispiele. Ein pfiffiger Kurzhaarschnitt symbolisiert in meinen Augen immer dieses gewisse Quäntchen mehr Unabhängigkeit vom Wohlwollen anderer, vor allem natürlich von Männern, die ja meist auf lange Haare stehen.

Farblich wilde Haar-Experimente Mitte der 1980er Jahre!

Ansonsten hatte ich nie wirklich modische Vorbilder. Wäre ich 1,80 m groß, hätte sich allerdings wahrscheinlich der minimalistische Stil einer Jil Sander bei mir durchgesetzt.

Hast oder hattest du ein Lieblingskleidungsstück? Ich liebe gut sitzende Jeans – am liebsten von Levi´s – weil die mir einfach am besten passen. Ich trage sie zu fast jeder Gelegenheit. Und die Plateau-Schuhmode der vergangenen Jahre kam mir natürlich auch sehr entgegen. Ja, und dann ist da noch eine großgemusterte Blumenbluse von Tommy Hilfiger, die ich mir vor vielen Jahren mal ganz spontan gekauft habe. Sie polarisiert ziemlich, gehört aber immer noch zu meinen absoluten Lieblingsteilen.

Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun? Auch wenn ich nie völlig ungeschminkt aus dem Haus gehe, so hat sich meine Einstellung mit den Jahren doch ziemlich entspannt. Ich weiß inzwischen, was mir steht und brauche vor einem Event nicht mehr Stunden, um mich zu entscheiden, was ich anziehen soll. Diese zunehmende Gelassenheit, die natürlich viel mit dem Älterwerden zu tun hat, empfinde ich als äußerst wohltuend.  Viel hilft viel. Schmink-Faux-pas Anfang der 90er. Ich freue mich über jedes Jahr, das ich gesund älter werde, denn die Alternative wäre ja gar keine gute Lösung. Und wenn ich mich so umschaue, wie viele Frauen heute mit 40, 50 oder auch 60 Jahren noch unglaublich viel Charisma und Power haben, dann kann ich ziemlich gelassen bleiben. Außerdem empfinde ich es als beruhigend, dass wir alle älter werden, jede mit irgendeinem anderen Zipperlein.

Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte? Meine Haut braucht definitiv mehr als Wasser und Seife. Allerdings bin ich nicht bereit, für eine Creme eine dreistellige Summe auszugeben. Nach dem ich viel ausprobiert habe, setze ich inzwischen nur noch auf Naturkosmetik, hergestellt ohne Tierversuche. Nach einem Gespräch mit einer Dermatologin weiß ich, dass es bei der Hautpflege letztlich sowieso vor allem auf Feuchtigkeit ankommt. Und meine zunehmenden Fältchen und Falten sind wohl dem vielen Lachen geschuldet und darauf würde ich nie verzichten wollen!

Du bist auf Reisen und hast deine Waschbeutel vergessen. Welche drei (Kosmetik-)Produkte kaufst du sofort? Das ist mir tatsächlich schon passiert! Ganz schnell her mussten dann eine schwarze Wimperntusche, am liebsten von LUSH, eine Feuchtigkeitscreme von Lavera und ein Anti-frizz-Serum für die Haare. Hier schwöre ich auf die Marke milk_shake, die übrigens auch einen Schaum anbietet, der superlecker nach Karamell-Vanille Milchshakes riecht!  

Hast du ein Schönheitsgeheimnis? Mich drei Mal pro Woche beim Sport körperlich auszutoben, und hinterher erst warm und dann kalt zu duschen, tut mir extrem gut – auch wenn ich dazu meinen Schweinehund immer wieder überwinden muss! Genauso wie meine vegane Ernährung macht der Sport (vor allem danach) eine Menge gute Gefühle. Ansonsten bin ich sicher, dass fröhlicher Optimismus und viel Gelassenheit immer förderlich sind für eine gute Ausstrahlung.

Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet? Einer meiner Chefs hat mal zu mir gesagt: "Format ist keine Frage der Größe!" Das hat mir damals gut getan und mir geholfen meinen Frieden zu machen mit einer Tatsache, die ich sowieso nicht ändern kann. Ich lebe bewusst, rege mich nicht mehr über unwichtige Kleinigkeiten auf und bin jeden Tag dankbar und glücklich, an dem ich gesund aufstehen kann. Und ganz wichtig: Sich öfter mal trauen, im Leben spontan scharf abzubiegen erhöht enorm die Ortskenntnis!

Danke, liebe Annette, fürs Dabeisein!

***

Mehr spannende Interview mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hinter diesem Klick!

4 Kommentare

Ulla Keienburg
am Montag, 17. Februar 2014 um 12:57 Uhr
Jutta
am Montag, 17. Februar 2014 um 13:49 Uhr

Whoa! Bild 2! Und erst Bild 4! Angst essen Seele auf.
Sonst wie immer ein spannendes Interview, das ganz neue Einblicke gewährt hat. Allerdings: Die Blumenbluse an der 1,54-cm-großen Kreativbombe hätte ich dann doch zu gerne mit eigenen Augen begutachtet. :-)

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Gaby Barg
am Montag, 17. Februar 2014 um 14:19 Uhr

Oh, so ein “3/4 Beine - 1/4 Rumpf”-Foto gibt es von mir auch noch - und was fanden wir uns schööön!!! :o)

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Farbenfreundin
am Dienstag, 18. Februar 2014 um 11:21 Uhr

Was für eine spannende Frau! Große Klasse. Danke auch für den neuen Begriff “scharf abbiegen.” Ja, solche Ausdrücke mag ich in Bezug auf Wendungen in der Vita (das klaue ich für mir jetzt einfach mal).
Danke vielmals für das inspirierende Interview!

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