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Frauen über 40: Das Montagsinterview mit Tanja Schumacher.

Tanja Schumacher ist eine jener Frauen, bei denen ich durch Zufall erfahren musste, dass sie schon über 40 sind. Ich hatte sie eher für Mitte 30 gehalten, und das obwohl wir uns schon einige Jahre über ein Berufsnetzwerk kennen!

Ebenso überrascht war ich von ihrem Hobby zu erfahren: Live-Rollenspiel. (Nun weiß ich endlich auch, was es mit den Maskerade-Fotos auf Facebook auf sich hat, Tanja … ;-)) Dabei spielt man über (zumeist 3) Tage eine Rolle – und zwar live. „Das ist psychologisch unglaublich spannend, weil man da in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfen und die verschiedenen Teile seiner Persönlichkeit ausprobieren kann. Ich war schon eine ägyptische Hieroglyphenzauber-Professorin, Mafia-Killerin, Goldminenbesitzerin, Stummfilm-Diva, Kopfgeldjägerin und, und, und.“ Auch modisch wirkt sich ihr Hobby aus: „Nach einem Piraten-Live habe ich meinen schicken Piratenmantel eine ganze Zeit auch so getragen. Oder ich habe mir für ein Live, bei dem ich eine Stummfilm-Diva gegeben habe, extra einen 20er-Jahre Haarschnitt scheiden lassen.“

anja Schumacher im Stil der 20er-Jahre

Tanja Schumacher, 46.

Bei so viel Liebe zum Schauspiel ist es kein Wunder, dass Tanja Theaterwissenschaften – neben Germanistik und Publizistik – studiert hat und nach dem Examen mit einem Volontariat bei einem Filmmagazin ins Berufsleben eingestiegen ist. Heute arbeitet Tanja als Texterin, Journalistin und Lektorin.

Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen oder beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert?

Ich habe mich schon früh für Mode interessiert. Mit 13 bin ich zum Friseur gegangen, um mir eine Nena-Frisur schneiden zu lassen. Mit 15 Jahren ging dann allerdings meine Punk-Wave-Phase los, modische Vorbilder waren dann eher David Bowie, The Cure, Clash, Nina Hagen etc. Wichtigster modischer Einfluss kam aus London, die Mode wurde hier in Independent-Läden angeboten. Dort gab es Lederjacken, Doc Martens, Creeps, Converse-Turnschuhe, Harrington-Jacken und ähnliche Schätze.

Zu Weihnachten wünschte ich mir damals eine Lederjacke mit Nieten und Reißverschlüssen. Weil sie so teuer war, mussten alle zusammenlegen, es war dann auch mein einziges Geschenk – aber ich war überglücklich. Passend dazu wurden die Haare gefärbt und geschnitten: Schwarz-rot, rot oder ganz schwarz – dazu asymmetrisch geschnittene Frisuren, bei denen gerne in der Seite ein Muster 'reinrasiert wurde.

Hattest du modische Vorbilder? Personen oder Persönlichkeiten, die deinen Stil geprägt haben – oder eine modische Ära?

Seit ich 16 bin, bin ich großer David-Bowie-Fan. Nun sehe ich selbst kein bisschen androgyn aus (leider, hach, das war immer mein Wunsch) – aber seine Lust am Verkleiden und in Rollen schlüpfen wurde von mir schon früh bewundert.

Tanja Schumacher als Ziggy Stardust

Tanja aka Ziggy Stardust! (2000)

Hast oder hattest du ein Lieblingskleidungsstück?


Meine Biker-Boots! Die liebe ich so heiß und innig, dass ich sie mir nach drei Jahren dauertragen erneut gekauft habe. Sie sehen cool aus – zu Hosen genauso wie zum Rock. Ich steh’ auf diesen rauen Biker-Stil! :-)

Welche Stilrichtung bevorzugst du? Wie hat sich dein Geschmack im Laufe deines Lebens verändert – und warum?

Nachdem meine Jugendjahren vor allem durch die Punk-Wave-Mode geprägt hat, war es meine Studienzeit eher durch Second-Hand-Klamotten. Eines meiner damaligen Lieblingsstücke war eine Jacke aus den 50er-Jahren mit Pelzkragen, dazu trug ich schwarze enge Hosen mit leichten Schlag und sehr geliebte und für mich als Studentin unfassbar teure schwarze Velourstiefeletten – die ich heute noch habe!

Tanja Schumacher - mit 15

Punk-waviger Ausgeh-Look mit 15 – von Muttern genäht!

Während meiner Volo-Zeit in Hamburg entdeckte ich die sportliche Mode. Das hing wohl auch damit zusammen, dass ich zur begeisterten Inlineskaterin wurde und überall hinskatete – da waren enge Klamotten einfach zu unbequem. Ich fing an, sportliche Klamotten zu tragen: Cargohosen, weite T-Shirts und Turnschuhe. Vor allem Turnschuhe waren in der ersten Zeit unglaublich ungewohnt, ich hatte jahrelang nur Schuhe mit Absatz getragen. Tja und heute ist es eher umgekehrt: Nach einem Tag mit Absätzen fallen mir abends die Füße ab.

Tanja Schumacher 2015

Tanja mag es mal sportlich ... (2015)

Heute ist mein Kleiderschrank ein bunter Mix aus allen möglichen Stilen. Ich habe enge Jeans, Cargohosen, viele Totenkopf-T-Shirts, aber auch ein sehr schickes Satinjäckchen oder sogar eine bunte Desigual-Jacke. Die Basics sind meistens schwarz, aber dann trage ich darüber gerne auch mal eine petrolfarbene Fleecejacke oder einen roter Pulli mit Anker drauf. Zu meinen Lieblingsstücken der letzten Jahre gehört ein knallroter Kragenmantel, in dem ich wie Rotkäppchen aussehe. Wenn ich schon mal einen Rock oder ein Kleid trage (was mir meistens zu unbequem oder zu kalt ist), dann dazu gerne eine goldene Strumpfhose oder wenigstens Stulpen.

Was es mir auch sehr angetan hat, sind Haremshosen, da habe ich eine schicke mit Nadelstreifen, eine schwarz-rote, die ich als Piratin tragen kann und eine bunte für heiße Sommertage. Oh, oder was ich in einem der kleinen Designerläden im Karoviertel entdeckt habe, ist ein goldfarbener Rock mit schrägem Reißverschluss – damit kann man die Länge variieren. Und dazu ein abgefahrener goldener Kragen, mit den man jedes Oberteil steampunkig aufpeppen kann.

Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun?

Früher war es für mich extrem wichtig, cool auszusehen – und kein bisschen wie ein Mädchen. Das Schlimmste war, süß auszusehen. Auch heute noch habe ich Totenköpfe lieber als Blümchen – ich habe einen wahren Totenkopffimmel, ein Überbleibsel aus alten Punkertagen. Ketten, T-Shirts, Tücher, Taschen, Ringe: alles mit Totenköpfen. Aber heute dürfen auch mal andere Symbole dazu wie etwa ein Yin-Yang-Ring, eine Katzenöhrchenjacke, eine 20-Jahre Brosche, eine Batmankette. Ich orientiere mich immer noch nicht an den Pariser Modeschauen, sondern stöbere in Läden kleiner Designerlabel, auf Flohmärkten oder in Second-Hand-Läden.

... aber manchmal auch sehr elegant! (2014)

Auch heute möchte ich nicht als Mädchen angesehen werden – aber mit dem Älter werden kann ich heute gelassener auch mal etwas anziehen, das vielleicht doch einfach nur hübsch ist. Aber nicht mit Blümchen, es sei denn, sie schmücken einen Totenkopf!

Außerdem bin ich auch bequemer geworden, im Alltag liebe ich Jeans, Pullis und T-Shirts, letztere übrigens gerne mit Spruch oder aus einer Serie. Und im Gegensatz zu früher gehe ich heute auch oft ungeschminkt aus dem Haus. Man nimmt sich doch mit zunehmendem Alter eher so, wie man ist. Meine Haare ergrauen zu lassen, kann ich mir allerdings nicht vorstellen ...

Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte?

Da schon in meiner Pubertät eine Hautunverträglichkeit mit allen Produkten mit Parfümanteil etc. festgestellt wurde, habe ich schon immer PH-neutrale Lotions bzw. eine Gesichts- und eine Körpercreme, und Seifen benutzt – und das war’s tatsächlich. Alle Versuche zwischendrin mit anderen Produkten wurden sofort mit Pickeln und Ausschlägen bestraft – auch bei ganz teuren Produkte.

Tanja Schumacher - gut behütet

Liebt schwarz und rot. Offensichtlich. (2012)

Du bist auf Reisen und hast deinen Waschbeutel vergessen. Zahnpasta und Seife gibt es im Hotel. Auf welche drei (Kosmetik-)Produkte kannst du keinesfalls verzichten und kaufst sie sofort ein?

- Haarspülung (ähm, die Billigmarke von Budni). Ohne die kriege ich meine dicken Haare nach dem Waschen nicht durchgekämmt!
- Kontaktlinsenmittel. Ich bin zu eitel für eine Brille!
- Rasierer. Für die Beine.

Wenn du dir ein (noch nicht existierendes) Produkt von der Kosmetikbranche wünschen dürftest: Welches wäre das?

Eine dauerhafte einmalige pickel- und schmerzfreie Methode zur Beinhaarentfernung.

Hast du ein Schönheitsgeheimnis?


Ich glaube, dass Menschen dann schön sind, wenn sie glücklich sind – und das sind sie, wenn sie Dinge tun, die sie glücklich machen. Bei mir heißt das: mich ausprobieren, auf Live-Rollenspiele gehen, aber auch auf Lesungen, Konzerte, schöne Kochabende. Mich immer wieder neu ausprobieren, nicht bequem und langweilig werden.

Rollenspiel

Glücklich macht schön! („Ein Sommernachtstraum", 2009)

Zum Fithalten mache ich Sport, etwa fünfmal die Woche morgens 30 bis 40 Minuten Yoga – wir haben extra unseren Trockenboden zu einem Sportraum ausgebaut, mit Matten, Geräten und Spiegel. Zusätzlich ich gehe einmal in der Woche zum Yoga – und danach zum Arnis-Kurs (Anm.: Arnis ist eine philippinische Kampfsportart.)

Was würdest du in Sachen Schönheit gerne mal ausprobieren? (Haare rot färben, Botox, falsche Wimpern, Pixie-Schnitt ...)

Hm, da ich schon immer alles ausprobiert habe, was ich wollte, fällt mir da gerade gar nichts ein.

Tanja Schumacher mit asymmetrischer Frisur

Die Frau der tausend Frisuren (2004).

Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet?

Kein Mantra. Aber ich sammle Zitate. Eines, das mir besonders gut gefällt:

Ich glaube an die Vision des Wahren in den Tiefen des Geistes, wenn die Augen geschlossen sind. – W. B. Yeats, Essay „Magie“

Vielen Dank, liebe Tanja, fürs Dabei sein und deine spannenden Antworten! Und dafür, dass ich jetzt weiß, was LARP bedeutet. Übrigens: Die 20-er Jahre stehen dir einfach fabelhaft! :-)

***
Mehr spannende Interviews mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hinter diesem Klick.

3 Kommentare

Lucienne
am Dienstag, 05. Mai 2015 um 13:38 Uhr

Interessant und kurzweilig zu lesen - schönes Interview mit einer facettenreichen Frau!

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Sandra
am Dienstag, 05. Mai 2015 um 20:13 Uhr

Coole Frau - ich steh auf die unterschiedlichen Facetten. Und wünschte mir, mehr Menschen hätten den Mut, ihre inneren Bilder so nach außen zu tragen. Hätte mir noch ein paar Fragen (und Antworten) zu ihrem sonstigen Leben, abseits von Mode und Kosmetik gewünscht. ;-)

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Farbenfreundin
am Mittwoch, 06. Mai 2015 um 10:35 Uhr

Ein dauerhaftes, gutes Beinenthaarungsmittel! Ja, genau. Das wäre auch mein Wunsch. Warum bitte wachsen an Stellen Haare, wo sie keiner braucht? Lieber hätte ich dichte und lange Wimpern.
Ach ja, die Beauty Industrie forscht in Sachen Anti Aging, dabei liegt doch hier der Hase im Pfeffer :-)

Danke für das schöne Interview!

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