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Frauen ab 40: Das Montagsinterview mit Jette Ziegler.

"Meine Freundin nennt mich einen Veränderungsjunkie" - und wenn ich Jette Zieglers Lebenslauf so lese, möchte ich sagen: Ja, stimmt!

Mit 17 hat sie das Elternhaus in Dänemark verlassen und ging für ein Jahr als Au-pair in die Schweiz. Aus diesem einen Jahr wurden insgesamt zehn Auslandsjahre, sieben davon in Heidelberg, wo sie ihr Herz an ihren heutigen Mann verlor. 1996 ging es dann gemeinsam mit ihm zurück nach Dänemark. Es folgten Studium, gleich danach der Sprung in die Selbstständigkeit, die Geburt der Zwillingssöhne, der berufliche Wechsel vom Texten hin zum Projektmanagement. Und letztes Jahr dann noch eine Coaching-Ausbildung (nicht um als Coach zu arbeiten, sondern um ihre Werkzeugkiste aufzustocken ...).

Ich kann mich noch gut erinnern, als ich Jette vor rund zehn Jahren zum ersten Mal begegnete. Es war auf einem Netzwerktreffen im Wendland. Da stand sie. Blond, schlank, sehr natürlich. Eine skandinavische Schönheit, wie man sie sich so vorstellt. Und daran hat sich in den letzten zehn Jahren wenig geändert ...

Jette Ziegler, 44: "Life is what you make it."

Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen oder beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert?

„Mode – ha!“ – war mein erster Gedanke, als ich diese Frage gelesen habe. Ich glaube, ich habe nur als Teenager versucht modisch zu sein. Und mittlerweile habe ich so viele Moden erlebt, dass ich mich manchmal bei dem Gedanken ertappe: „Schon wieder solche Hosen, die habe ich doch schon mal getragen …“

Ich glaube nicht, dass ich sehr modisch bin. Ich habe mit 17 Jahren das Elternhaus verlassen und habe seitdem für mich selbst gesorgt, einfach weil ich es so wollte. Das Leben kostet, und da ich lieber esse und gutes Essen koche als schick auszusehen, waren die Prioritäten auch schon in jungen Jahren klar.

Klar schiele ich zu den Zeitschriften und ich habe viele schöne Teile im Schrank. Vor zwei Jahren hatte ich das ewige „Nix-anzuziehen-bei-vollen-Schrank” allerdings so satt, und bin virtuell – per Zufall oder Schicksal? – über das „project 333 – sich 3 Monate mit 33 Teilen kleiden“ gestolpert. Ich glaube nicht, dass ich nur 33 Teile im Schrank habe, denn meine Erinnerungen sitzen in manchen Kleiderstücken, und deshalb sind auch Teile in meinem Schrank, die ich nicht mehr trage. Aber mein Kleiderschrank ist sehr übersichtlich geworden, und ich überlege mir genau, was ich gerne kaufen möchte bzw. was ich brauche um meine Garderobe zu vervollständigen.

Sweet Fourteen.

In den letzten Jahren sind mir auch die Herstellungsmethoden der Kleider, die ich trage, immer wichtiger geworden. Mein Kleiderbudget ist nicht groß, ich kann daher nicht alles öko und fair kaufen. Ich versuche daher schöne Teile im Second-Hand-Laden oder auf Kleiderbörsen zu ergattern. In Dänemark ist es sehr normal, sich second hand einzukleiden oder Kleider weiter zu verkaufen oder zu verschenken. Es gibt zum Beispiel Trendsales. Hier kannst man als Privatperson verkaufen und kaufen – ein Modebasar. Auch das Rote Kreuz und andere Hilfsorganisationen haben viele Second-Hand-Shops. Beim Roten Kreuz habe ich mal einen wunderschönen Fuchspelz ergattert. Die vormalige Besitzerin war wohl eine sehr starke Raucherin! Nach dreimonatigem Lüften draußen und auf dem Dachboden war der Mantel dann tragbar. Der Mantel ist dem Schnitt nach etwas betagt, und ja, es ist Pelz! Ich weiß natürlich um die Probleme von Leder und Pelz (wobei "veganes Leder" in der Produktion auch nicht problemlos sein soll?!) – und dennoch liebe ich ihn!

Daneben gibt es zwei große Verkaufszeitungen, in denen alles, was das Herz begehrt, angeboten wird. Second Hand hat in Dänemark nichts mit Armut zu tun – es ist eher ein Sport: Wo sind die tollsten Second-Hand-Läden? Welcher Laden hat sich auf welchen Marken spezialisiert? Im November fahre ich nach Kopenhagen mit ein paar Freundinnen, wir wollen die Frida-Kahlo-Ausstellung besuchen – und ja, rate mal: Second-Hand-Läden abklopfen.

Privat läuft es eher so – zumindest mit meinen Freundinnen, – dass wir Tüten packen, wenn im Kleiderschrank aufgeräumt wird. Ich packe immer individuell und es freut mich, wenn ich „meine“ Kleider angezogen sehe. Kürzlich war eine Freundin da, sie trug ein Oberteil von mir, das sie sich selbst nie gekauft hätte. Es ist jetzt ihr Lieblingsteil, während es mir zwar gefallen, aber nicht gestanden hat. Für sie ist es hingegen perfekt! Und solche Tüten bekomme ich auch. Als ich Großputz im Kleiderschrank machte, habe ich Freundinnen zum Essen eingeladen und alle Kleider schön aufgehängt und ausgelegt. Alle konnten sich nehmen, was sie wollten - mit oder ohne Beratung der Champagner trinkenden anwesenden Frauen. War ein schöner Abend!

Vielleicht agiere ich mit Second Hand nicht öko und fair im strengen Sinn, aber ich denke, es ist besser als wegwerfen.

Welche Stilrichtung bevorzugst du? Wie hat sich dein Geschmack im Laufe deines Lebens verändert – und warum?

Ich kleide mich eher klassisch und trage Materialien, die ich gerne anfasse und die auch schön anzusehen sind, wie zum Beispiel Seide oder Stoff, der Struktur hat. Meine Kleidung ist eher schlicht und mit nur wenigen Details – eher zu wenig als zu viel. Coco Chanel soll angeblich gesagt haben: „Zieh dich an, stell dir vor dem Spiegel und ziehe dann ein Schmuckstück aus.“ Ich weiß, sie meinte Schmuck, aber ich denke, das funktioniert auch mit Kleidern. Außerdem sehe ich aus wie ein "vergessener Kleiderhaufen", wenn ich versuche, einen Schal, eine Weste, eine Bluse, eine Jacke usw. auf einmal anzuziehen. Ich verlasse das Haus aber immer voll bekleidet, nicht dass hier etwas missverstanden wird.

Mal sportlich ... (2001)

Ich denke, dass klassisch schon immer meine Richtung war. Als Kind der späten 80er und schrillen 90er habe ich allerdings auch die geblümte, die pastellige, die punkige, die new wave-ige und sonstige Stilrichtungen durch- und mitgemacht. Großblumige bunte Kniehosen und Hemd als Ensemble (grausam) oder zarte Pastelltöne wie gelb, rosa, grün (furchtbare Farben für mich). Meine Haare haben auch allerlei mitgemacht von Dauerwelle, Nacken ausrasiert, raspelkurz über sehr viele Farben bis hin zum aktuellen "Ich-bekenne-mich-zur-den-grauen-Haaren-Stil". Madonna, Kim Wilde, Lady Diana: Das sind Frauen, denen ich vieles zu verdanken habe – oder eben nicht.

Hattest du modische Vorbilder? Personen oder Persönlichkeiten, die deinen Stil geprägt haben – oder eine modische Ära?

Die 40er- und 50er-Jahre mit den Kleidern und Röcken faszinieren mich, vielleicht, weil ich mich doch manchmal gerne femininer kleiden würde. Diese beiden Epochen sind sehr sensuell, finde ich.

Ansonsten bin ich wohl eher Ära-los.

Es gibt nicht direkt Persönlichkeiten, die ich als meine Ikonen bezeichnen würde. Ich nehme immer Abstand von Ikonen, Gurus, Göttern und Allwissenden. Aber vier für mich tolle Frauen sind: Coco Chanel – sie konnte das, was die Französinnen können: sich zugleich schlicht, mit Understatement, weiblich und très chic kleiden! Dann Annie Lennox, Tilda Swinton und Juliane Moore: An allen dreien liebe ich ihren klassischen Stil, an Annie und Tilda auch das Androgyne. Und Juliane Moore hat einfach wunderschöne rote Haare!

... mal ganz Lady (1998) ...

Hast oder hattest du ein Lieblingskleidungsstück? Wenn ja, welches? Und warum?

Ich habe durchaus Lieblingskleidungsstücke, oft sind daran Erinnerungen verknüpft – ich verschenke auch oft Kleider, wenn sich doofe Erinnerungen an sie knüpfen. Momentan sind es wohl ein Paar Stiefeln, die ich besonders gerne trage. Die sind so herrlich verspielt und haben Absätze – ich liebe Absätze. Ich kann auch das ganze Jahr über Schals oder Tücher tragen, ich habe so viele! Meine Tücher habe ich aus dem project 333 ausgeklammert, ansonsten würde ich mich bei 33 erlaubten Teilen ausschließlich in Schals hüllen müssen.

Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun?

„Schönheit kann man nicht erkaufen“. Das mag ein Klischee sein, aber eines, das stimmt. Ich glaube, dass Schönheit von innen kommt, es ist vielmehr das Wesen eines Menschen, das ihn schön macht als seine Kleider. Kleider können Schönheit höchstens unterstreichen. Diese Einstellung hat sich mit der Zeit einwickelt.

Entspannt und glücklich nach bestandener Coaching-Prüfung (Juni 2013)

Ich denke, ich bin in den letzten Jahren auch entspannter geworden. Ich denke schon darüber nach, was ich anziehe, wenn ich zu einem Kunden fahre, und was ich mit meiner Kleidung signalisiere. Aber ich bin auch schon mal (als frisch gebackene Mutter) zu einem Geschäftstreffen mit Zahnpasta verschmierten Hosen gekommen. Ist auch gegangen – und manchmal brechen solche Unperfektheiten gar das Eis.

Ich experimentiere durchaus mit Kleidungstücken, aber ich lasse mich nicht mehr von Verkäuferinnen beschwatzen von wegen „Das Teil steht dir aber sehr gut, sehr modisch siehst du damit aus.“

Schönheit ist so ein sonderbarer Begriff ... oft macht erst das Leben die Menschen schön, die Lachfalten, die Sommersprossen, die grauen Haare – oder fehlende Haare.

Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte?

Ich will nichts im Gesicht haben, das ich nicht auch in den Mund nehmen würde. Sprich: Alle E’s, Parbene und sonstiges lasse ich weg, und das schon seit fast zwanzig Jahren. Bis auf zwei Produkten: Mascara und Parfum.

Wenn aber die Möglichkeiten moderner Produkte aus der Naturkosmetik stammen, dann bin ich durchaus geneigt sie zu probieren, denn eigentlich liebe ich Cremes, Tiegel und Tuben. Momentan stehen bei mir Alverde, Weleda Skin Food, Neobio, Marianne Tromborg (ein dänisches Label) im Bad. Und dann natürlich Urtekram – die Urmutter der dänischen Naturkosmetik. Mittlerweile sind die Produkte von Urtekram zumindest beim Geruch nicht mehr ganz so öko ;-), sondern eher neutral oder dezent. Die Produkte sind sehr ergiebig und gut.

Du bist auf Reisen und hast deine Waschbeutel vergessen. Welche drei (Kosmetik-)Produkte kaufst du sofort?

Hm – als Zahnbürste und Zahnpasta ist ja ein Paar, oder? Dann noch Haarshampoo, gerne das mit Aloe Vera von Urtekram – wobei: Da müsste ich dann noch einen Balsam mitnehmen können, und zwar Soul Glow. Ja, und eine Mascara, gerne eine von Maybelline, schwarz und wasserfest, denn ich habe nahe am Wasser gebaut.

... mal Rocker-Braut (Anfang der Neunziger).

Hast du ein Schönheitsgeheimnis?

Ich habe keine Geheimnisse, in keinem Bereich meines Lebens, dafür bin ich einfach nicht raffiniert genug, und mein Herz sitzt auf der Zunge. Aber mit Menschen zusammen sein, die ich liebe, das ist für mich Schönheitselixir. Außerdem lachen und lieben.

Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet?

Så kys det nu, det satans liv! Stammt von einer dänischen Gruppe. Heißt so viel wie: Küss es doch, das verdammte Leben.

Und noch ein weiteres Lied: Life is what you make it. – von TalkTalk, und Recht haben sie.?

Danke, liebe Jette, für deine Antworten - und für den Second-Hand-Stupser! Trendsales gibt es übrigens auch für Deutschland! :-)

***
Mehr spannende Interview mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hier: Click and enjoy!

13156 15 50+ Lifestyle 11.11.2013   frauen ab 40, interview, jette ziegler, mode, montagsinterview, schönheit

15 Kommentare

Farbenfreundin
am Montag, 11. November 2013 um 09:10 Uhr

Wunderbar, die Woche mit einem tollen Interview zu beginnen. Danke an all die Frauen, die so ehrlich und herzerfrischend ihre Antworten geben und mir als Leser Einblick gewähren. Prima Tipp das mit denn 33 Sachen… ähm :-)

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Ruth
am Montag, 11. November 2013 um 10:17 Uhr

Super sympathisch!!! Und wundervoll. Tolle Frau! :o)

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Jutta
am Montag, 11. November 2013 um 11:03 Uhr

“Küss es doch, das verdammte Leben!” - wunderbar, muss ich mir merken!

Mal wieder ein Interview mit viel Hach-Faktor! Danke, Ihr zwei.

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Susi
am Montag, 11. November 2013 um 11:14 Uhr

Das war auch mein Lieblingssatz, Jutta! :-)

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Alice Scheerer
am Montag, 11. November 2013 um 12:02 Uhr

Die Jette ist einfach klasse!!!

Ich frage mich gerade, wo meine Version von Jettes Oberteil aus dem Jahr 2001 gerade ist.
Die habe ich nach ein paar Jahren weitergegeben. Vielleicht ist sie schon in Holland oder sogar in Dänemark ...?!

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Britta
am Montag, 11. November 2013 um 12:45 Uhr

Endlich weiß ich, warum ich Jette vom ersten Sehen ganz anders in Erinnerung hatte. Weil es so war :)
Danke für das schöne Interview!

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Etelka Kovacs-Koller
am Montag, 11. November 2013 um 13:25 Uhr

“Das Leben macht die Menschen schön” - so einfach ist das!
...by the way die 33 Teile Methode finde ich auch großartig!(Mal sehen, ob ich überhaupt so viele zusammen bekomme :-)

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Michaela Pelz
am Montag, 11. November 2013 um 15:45 Uhr

Die Sache mit den Kleidertüten ist phänomenal - bisher praktiziere ich das nur bei Kindersachen.

Denn auch mir geht das Herz auf, wenn “Lieblingsstücke” weiterwandern können zu (kleinen) Menschen, die ich mag.

Aber auch der Rest des Interviews ist inspirierend - vor allem das Leben, das zum Küssen da ist!

Hach - die ganze Jette ist eine Wucht, daran wird es liegen! ;-)

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groschenroman
am Montag, 11. November 2013 um 17:16 Uhr

Schönes Interview! Hat mich animiert, auch mal auszumisten und Klamotten wegzugeben, mit denen ich unschöne Erinnerungen verbinde.

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Ulla Keienburg
am Montag, 11. November 2013 um 18:55 Uhr

Change :-)  DER Kuss für einer jeden Leben!
Danke für das Interview :-)
Ulla

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Dolly
am Dienstag, 12. November 2013 um 10:46 Uhr

Keep on rockin`. Danke für das Interview. Love the hat!!!

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Petra
am Dienstag, 12. November 2013 um 12:44 Uhr

Ein wunderbares Interview, tolle Statements einer tollen Frau - und ich sollte definitiv bald mal nach Dänemark, ein Land, in dem es mir unbekannte Naturkosmetik und überall coole Second-Hand-Mode gibt, MUSS ich erkunden

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Antje Ritter
am Dienstag, 12. November 2013 um 18:36 Uhr

Wunderbare Jette!

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Ivana
am Dienstag, 12. November 2013 um 22:38 Uhr

Mal wieder ein tolles Interview (ich glaube,das werde ich jeden Montag schreiben müssen…), vielen Dank!

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Birgit
am Mittwoch, 13. November 2013 um 12:40 Uhr

Schönes Interview, und inspirierend. 333 - Simple is the new black, wunderbar. Dazu werde ich mich auch gleich schlau(er) machen.

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