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Frauen ab 40: Das Montagsinterview mit Heike Matthiesen.

Mit das Wunderbarste an diesem Internet für mich ist: Es bringt mich mit Menschen zusammen, die ich auf analogem Weg vermutlich nie kennen gelernt hätte. Heike Matthiesen zum Beispiel.

Heike stammt aus einer Künstlerfamilie und ist eine der bekanntesten deutschen klassischen Gitarristinnen (ein paar Kostproben gibt es auf ihrer Website). Nach einer Klavierausbildung wechselte sie zur Gitarre und studierte an Musikhochschulen und bei den Meistern ihres Fachs. Seit einigen Jahren ist sie voll selbstständig als Künstlerin unterwegs - ohne Netz und Plan B. Das "unterwegs" betrifft aber nicht nur ihre Konzertreisen in aller Welt, sondern eben auch twitter und Co. Und dort habe ich Heike kennen gelernt.

"Ich bin ein Internetjunkie, liebe Kommunikation, sehe mich als einen neuen Künstlertyp jenseits des Elfenbeinturms der Klassik", sagt sie von sich selbst - und hat auf meine Frage nach einem Interview sofort zugesagt.

Ich war überaus gespannt zu hören, wie mode-/kosmetikaffin eine Künstlerin ist ...

2012: Auf der Bühne. Und zu schnell fürs Foto.

Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert? Welche Stilrichtung bevorzugst du?

Heike: Ich habe mehrere Kleiderschränke, nicht nur in verschiedenen Größen (wegen meiner fatalen Liebe zu Schokolade), sondern auch für die verschiedenen Facetten meines Lebens:

- Bühnenkleidung, wird NIE im Alltag angezogen, da lasse ich die private Heike hinter mir und springe in mein Bühnen-Ich - das ist ein Ritual!

- Businessklamotten, fürs "Schaulaufen". Ich bin ja oft als mein eigener Manager unterwegs und muss dann immer repräsentabel und fotografierbar aussehen.

- Privat bin ich hingegen eher ein Jeanstyp, praktisch und bequem sollte es sein.

- Aber da gibt es auch noch die Seite von mir, die mit Mode spielt: Spanisch Angehauchtes, riesige Hüte, Lederklamotten, Schals und Federboas. Ich habe eine Theaterseite in mir, die gerne mit Rollen spielt.

Heike spielt nicht nur Gitarre, sondern durchaus auch mit der Mode.

Es gibt also nicht den einen Stil, eher eine wilde Mischung, die man nie nur einer Trägerin zuordnen würde.

Ich bin übrigens eine leidenschaftliche Secondhand-Käuferin. Einerseits kommt da meine Ökoseite durch (warum nicht gebrauchte Kleidung tragen?), andererseits kann ich mir trotz meiner nicht überquellenden Reichtümer immer wieder etwas Besonderes bzw. auch mal was nur zum Vergnügen kaufen!

Kontrast zur Klassik: Leder.

Aktuelle Modetrends folge ich nicht unbedingt, auch wenn ich immer wieder gerne Modezeitungen durchblättere. Mit ausgiebigen Shoppingtouren durch viele Läden aber kann man mich jagen. Vielmehr habe ich eine handverlesene (streng geheime!) Liste meiner Lieblingsläden, denen ich jedesmal, wenn ich in der jeweiligen Stadt bin, einen kostspieligen Besuch abstatte!

Hast du ein Lieblingskleidungsstück? Wenn ja, welches? Und warum?

Heike: Hm. Schwierig, wegen meiner diversen Facetten. Auf der Bühne sind dies definitiv meine schwarzen High Heels! Und der goldene Rock ... Im Alltag trage ich gerne schlichte, schwarze Rollis. Knopflos ist wichtig beim Üben.

Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun?

Heike: Ich gehe immer bewusster mit der Botschaft meiner Kleidung um. Mein spielerischer Umgang mit Mode hat mir beruflich schon durchaus Schwierigkeiten eingebracht ( die bauchfrei tragende Gitarristin beispielsweise wurde in der Männerdomäne Gitarre nicht immer richtig ernstgenommen). Kleidung kann ja glasklar definieren, ob und wie sehr man privat unterwegs ist. Und viele scheinbar harmlose Kleidungsstücke kriegen durch meine - sagen wir es mal nett - sehr weibliche Figur oft Botschaften, die ich nicht aussenden will.

Mal in schwarzem Leder - mal pure Feminität im Lieblingsbühnenrock.

Neu ist in den letzten Jahren aber, dass ich alle diese Regeln durchaus auch mal bewusst ignoriere: So ziehe ich mittlerweile trotz meiner Größe Mörder-High-Heels an oder tauche bei Veranstaltungen - mit Grandezza „falsch“ angezogen - auf. Es hängt ja soviel von der Haltung ab, nicht alleine nur von den Klamotten.

Eine Anekdote dazu: Einmal bekam ich sehr kurzfristig, in Jeans und T-Shirt und ohne Chance auf schnelles Umziehen eine Karte für die teuersten Plätze für die Festspiele in Salzburg - und musste dann eben mit der Souveränität eines Supermodels inkognito die irritierten Blicke der anderen Festivalbesucher ignorieren.

Solange es nur um Kleidung geht, spiele ich also mit ... und es ist ja zum Glück noch so, dass in der Klassik die Optik zwar eine riesige Rolle spielt, aber noch kein hollywoodesker Schönheitswahn mit allerlei OPs angekommen ist.

Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte? Hast du eine Lieblingsmarke?

Heike: Ich verwende nie zweimal direkt das gleiche Produkt hintereinander, wechsle immer wieder auch zwischen Naturkosmetik und Luxusmarken und probiere gerne Mitbringsel aus anderen Ländern aus. Und wenn ich mal was nicht im Gesicht vertrage, kriegen dann eben meine Füße sehr luxuriöse Pflege ab.

Ende 20 mit Hach-Haaren!

Heike: Ich bin mit meiner superhellen Haut sehr lichtscheu, benutze grundsätzlich nur reichhaltige Nachtcremes (erstens weil meine Haut sehr trocken ist und zweitens, um sie nicht ständig mit Sonnenschutzchemie zu belasten) und fürs Rausgehen tagsüber dann gezielt Sonnenschutz. Musiker führen ja oft eine Art Vampirleben: tagsüber drinnen zum Üben, abends dann Konzerte.

Im Alltag gibt es mich meist ungeschminkt, aber für die Bühne mit ordentlich Makeup, was mir als Theaterkind auch richtig Spaß macht und zum Ritual „Übergang ins Bühnen-Ich“ gehört.

Drama Baby, Drama: Existenzialistische Phase mit Mitte 30.

Hast du ein Schönheitsgeheimnis?

Heike: Glücklich sein, unendlich viel schlafen, sich so naturbelassen wie möglich ernähren, oh ja, ich trinke auch viel Wasser - und höre mich jetzt wie eine Hollywood-Tussi an.

Kleiner Nebeneffekt meines Berufes: Als Gitarristin sind meine Fingernägel ja mein Klangwerkzeug. Unter Gitarristen kursieren als Tipp für tolle Nägel die üblichen Verdächtigen: Gelee Royal, Kieselerde, Gelatine (Gummibärchen!!!) - ich persönlich hingegen schmeiße regelmäßig schwarzen Sesam (aus dem Reformhaus) ins Essen, kommt aus der traditionellen chinesischen Medizin und ist neben Hab-die-Nägel-schön auch sichtbar gut für Haut und Haare

Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet?

"Vissi d'arte, vissi d'amore." - "Ich lebte für die Kunst, ich lebte für die Liebe."
(aus: Tosca von Puccini)

Danke, liebe Heike, für dieses spannende Gespräch und das wunderbare Mantra - das war (wieder mal) ein Highlight!

***

Mehr spannende Interview mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hier: Click and enjoy!

10509 5 50+ Lifestyle 03.06.2013   frauen ab 40, heike matthiesen, mode, schönheit, stil

5 Kommentare

Wibke
am Montag, 03. Juni 2013 um 10:47 Uhr

Danke für dieses wieder mal wundervolle Interview. Ich habe Heike vor kurzem auch jenseits des Bildschirms kennengelernt und sie ist einfach zum Niederknien fabelhaft. So eigen und präsent und unmittelbar. Wie schön, sie nun auch hier zu lesen!

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Susi
am Montag, 03. Juni 2013 um 12:30 Uhr

Hach, dieser Goldrock ... seufz! :-D

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Martina
am Montag, 03. Juni 2013 um 23:34 Uhr

Schöne Geschichten, besonders die Jeans bei den Salzburger Festspielen.  Da ist die Herausforderung, ein kleinstes Schwarzes in der Handtasche dabei zu haben, dazu die leichtesten feinen Schühchen, allzeit bereit für den festlichen Einsatz. Kommt auf meine Liste der Reiseklamotten. ;-) Aber momentan fahren keine Züge nach Salzburg - Gummistiefelsaison.

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Petra
am Dienstag, 04. Juni 2013 um 22:52 Uhr

Wie immer ein tolles Interview - schöne Geschichten einer faszinierenden Frau - und das mit dem schwarzen Sesam muss ich direkt selbst mal ausprobieren.
Weiter so viel Glücklichsein und Schlaf!

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Birgit
am Mittwoch, 05. Juni 2013 um 10:15 Uhr

Danke Heike und Susi für das tolle Interview! Ohne »dieses Internet« (respektive Twitter) hätte ich Heike auch nicht persönlich kennengelernt und wirklich was verpasst! Apropos Internetjunkie: Neuerdings gibt’s Heike auch »to go« – mit der Gitarra-App kann man sie immer bei sich haben :-)

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