Frauen ab 40: Das Montagsinterview mit Katja Tongucer.
Wenn ich an Katja Tongucer denke, dann überkommt mich immer das große Seufzen. Denn Katja lebt mit ihrer Familie in Istanbul, bekanntermaßen einer meiner Lieblingsstädte ... Dabei begann alles recht bodenständig: Aufgewachsen im Saarland studierte Katja nach dem Abitur Spanisch und Englisch und schloss als Diplom-Übersetzerin ab.
Doch dann kam alles ganz anders. Sie lernte ihren türkischen Mann kennen, zog mit ihm erst für ein Jahr nach Istanbul, nach Deutschland-Intermezzo nach Moskau und dann wieder nach Istanbul. Statt als Übersetzerin zu arbeiten, gab sie Englisch-Kurse für Kindergartenkinder, eröffnete einen Onlineshop für individuell bedruckte Kinderkleidung, machte ihre ersten Gehversuche als Ghostwriterin und landete als Übersetzungskoordinatorin dann doch auch wieder in ihrem eigentlichen Beruf. Sehr beeindruckt war ich, als ich ihren Name als Übersetzerin bei TED.com sah: Hier hatte sie (neben 39 weiteren Reden) die beeindruckende Rede des Modells Cameron Russell zum Thema Aussehen und Schönheit ins Deutsche übersetzt. Seit letzten Sommer lebt sie wieder in Istanbul, und mit der örtlichen Neuorientierung gab es auch eine berufliche: Katja macht derzeit ein Weiterbildung im Bereich Social Media, was sich auch in ihrem starken Engagement für ihr Blog istanbul-erleben.de manifestiert.
Katja Tongucer, 43.
Ich war sehr gespannt, ob und wie die unterschiedlichen Kulturen, in den Katja die letzten 15 Jahre verbracht hat, auch ihren modischen Lebensweg beeinflusst haben könnten ...
Wie würdest du deine Einstellung zu Mode bezeichnen oder beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert?
Ich war nie ein „richtiges“ Mädchen. Mit meinem großen Bruder bin ich auf Bäume geklettert und durch die Nachbargärten gestromert. Mit meinem Papa sind wir als Kanuten die wildesten Flüsse gepaddelt und haben in der Wildnis gezeltet. Da hätten Röcke und sonstiger Mädchenkram nur gestört.
Als Teenager in den 80ern lief ich in Jeans, Sweatshirts und Turnschuhen herum – natürlich der angesagten Mode folgend, aber nie übertrieben. Und dabei ist es im Grunde auch geblieben. Modisch bin ich sicher nie aufgefallen als junge Frau. Aber ich habe immer viel Wert darauf gelegt, dass ich mich in meiner Haut und meinen Klamotten wohl fühle.
Ich habe keine Modelmaße, bin ziemlich klein mit kurzen, kräftigen Beinen, da kann man nicht jeden Modetrend mitmachen. Wie gerne hätte ich eine Marlene-Hose getragen, aber die passen mir einfach nicht. Ich weiß noch, wie ich als Teenager unbedingt eine diese total angesagten Vanilia-Hosen haben wollte. Jede erdenkliche Größe habe ich anprobiert, keine hat gepasst. Das war blöd. Aber keine Katastrophe. Eigentlich bin ich froh, dass mir Modetrends nie sehr wichtig waren.
Erst mit Mitte 30 fanden Kleider und Röcke den Weg in meinen Kleiderschrank. Heute trage ich gerne Kleider, das überrascht mich manchmal immer noch.
Lieblingsfarbe Rot!
Beruflich war ich zum Glück nie auf Business-Kleidung angewiesen. Ich hatte sicher auch Phasen, in denen die Jeans im Schrank blieb und ich im Hosenanzug ins Büro stapfte. Aber auf Dauer hat sich das nicht durchgesetzt. Das bin ich nicht. Punkt.
Welche Stilrichtung bevorzugst du? Wie hat sich dein Geschmack im Laufe deines Lebens verändert?
Rückblickend ist es spannend zu sehen, dass sich mein Stil nicht sehr verändert hat, er ist höchstens ein wenig erwachsener geworden, reifer und fraulicher. Die Zeit in Moskau hat mich modisch allerdings sehr beeinflusst. Man fühlt sich permanent underdressed. Die meisten Frauen in Moskau sind sehr attraktiv, immer tadellos gepflegt, oft stark geschminkt, immer adrett gekleidet. Sie stapfen beim Sonntagsspaziergang mit High Heels durch den Wald und auch im tiefsten Winter bleibt der Minirock nicht im Schrank. Da würde keine Frau sonntags im Jogginganzug zum Bäcker rennen. Seither nenne ich auch ein paar schickere Klamotten mein Eigen. Wie lange sie in meinem Schrank verweilen dürfen, weiß ich noch nicht. Istanbul sucht noch seinen Weg in meinen Kleidungsstil.
Katja, Ende 20.
Ich mag einfache Basics, keine wilden Muster. Wickelkleider finde ich toll und raffinierte Schnitte, die erst auf den zweiten Blick auffallen. Pastellfarben stehen mir gar nicht. Gedeckte oder kräftige Farben dürfen es sein. Rot mag ich. Und grün. Grün ist toll!
Hattest du modische Vorbilder? Personen oder Persönlichkeiten, die deinen Stil geprägt haben – oder eine modische Ära?
Nö. Eigentlich nicht.
Hast oder hattest du ein Lieblingskleidungsstück?
Ich mag ein Jeanskleid sehr gerne, das auch schon einige Jährchen auf dem Buckel hat. Aber eigentlich ist mein Lieblingskleidungsstück eine ziemlich abgewetzte Jeans von Angels, die ich einfach immer wieder gerne anziehe, weil ich mich darin wohl fühle. Die kombiniere ich auch schonmal mit einem schickeren Oberteil, wenn ich ausgehe. Leider wird sie wohl bald nicht mehr zu retten sein. Außerdem gehe ich fast nie ohne bunten Schal aus dem Haus. Das ist mein liebstes Accessoire.
Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun?
Mein Aussehen war mir nie so wichtig, dass ich unter meinen kleinen Schönheitsfehlern gelitten hätte. Ich habe auch erst mit Mitte 20 angefangen, mich zu schminken. Aber immer sehr dezent, mit viel Make-up fühle ich mich angemalt. Auch bei meinen Haaren bin ich entspannt. Ich gehöre zu den Frauen, die zum Frisör gehen und „Mach mal“ sagen. Es wächst ja wieder. Ich mag meine Haarfarbe auch sehr und bis auf ein blondiertes Pony in den 80ern (Ach, was war das schick damals!) und zwei, drei misslungenen Henna-Experimenten (Meine Haare nehmen die Farbe einfach nicht an.) habe ich nie mit Farbe herumexperimentiert.
In den Achtzigern: mit obligatorischer Dauerwelle!
Womit wir beim Altern wären. Die grauen Haare werden inzwischen alle paar Wochen mal getönt, die Fältchen dürfen sich an manchen Tagen unter einer Schicht Concealer verstecken. Die Restaurierungsarbeiten werden umfangreicher. Aber ich habe immer noch kein Problem damit, ganz ungeschminkt unter die Leute zu gehen, wenn mir nicht nach Anmalen ist.
Ich mag meine Fältchen eigentlich. Sie erzählen mir jeden Morgen (m)eine Geschichte.
Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte?
Die Moskauer Winter sind sehr kalt, die Wohnungen völlig überheizt. Und die Luft ist extrem trocken. Da hat meine Haut sehr gelitten und ich fing irgendwann an, zu cremen und zu ölen, mit allem, was der Kulturbeutel hergab. Da ich nie viel Kosmetik benutzt hatte, bekam ich auch bald die Quittung. Rote Pusteln um Mund, Nase und Augen. Ich probierte die verschiedensten Mittelchen aus. Es wurde immer schlimmer. Da habe ich meiner Haut ein Radikaldiät verordnet und mich nur noch mit Wasser und Waschlappen gewaschen und gar keine Creme benutzt. Auch kein Make-up oder Puder. Nichts. Das war am Anfang sehr unangenehm, die Haut hat gespannt und gejuckt. Wenn es zu arg wurde, habe ich mit einem Thermalspray von Avène erste Hilfe geleistet. Nach zwei Wochen war meine Haut entwöhnt, glatt, zart und gesund.
"Mein Schönheitsgeheimnis? Lachen!"
Seither bin ich dabei geblieben. Ich creme nur ganz selten, schminke mich nicht täglich und wasche mich mit Wasser. Und fühle mich gut damit.
Du bist auf Reisen und hast deine Waschbeutel vergessen. Welche drei (Kosmetik-)Produkte kaufst du sofort?
Ich brauche ja nicht viel. Eine ganz leichte Creme, Mascara, Lippenstift. Das reicht mir völlig und ehrlich gesagt, befindet sich neben Zahnbürste und -pasta auch nicht wesentlich mehr in meinem Waschbeutel.
Hast du ein Schönheitsgeheimnis?
Lachen. Und sich selbst nicht so ernst nehmen. Wenn die Waage mal höheren Belastungen ausgesetzt ist als gewünscht, einfach die Süßigkeiten weglassen und nur drei Mahlzeiten essen. Viel Wasser trinken. Ein Spaziergang am Bosporus macht vielleicht nicht schöner, aber glücklicher und entspannter.
Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet?
Im Saarland sagen wir: „Et iss, wie et iss, unn Hauptsach gudd gess.“ Damit kann ich mich identifizieren. :)
Danke, liebe Katja, für die Einblicke – gerade auch in den Moskauer Modestil! Ich hoffe, davon werden wir bei anderer Gelegenheit noch mehr lesen ... :-)
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6 Kommentare
am Montag, 03. März 2014 um 11:18 Uhr
Danke für dieses schöne Interview! Katja ist offenbar meine modische Seelenverwandte :)
Kräftige Farben mag ich auch, Pastellfarben gehen gar nicht. Und bei mir darf ein Schal auch nie fehlen. Ach ja, das mit den Beinen kenne ich nur zu gut ;) Kleider und Röcke liebe ich auch, nur im kalten Deutschland finde ich es nicht immer toll, so wenig um die Beine zu haben. Bin gespannt, wie Istanbul deinen Kleiderschrank inspiriert. Leicht und luftig darf der Sommer allemal sein :)
am Dienstag, 04. März 2014 um 08:51 Uhr
Sehr erfrischendes, sympatisches Interview! Und, ja, das Thema mit den Marlene-Hosen kenne ich :-)
am Dienstag, 04. März 2014 um 09:28 Uhr
Hach ja, dieses saarländische Motto finde ich wunderbar. Nachdem ich gerade versuche, ein bisschen abzunehmen, um so mehr. Und die Lady des Interviews ist mir absolut sympathisch - ich finde es toll, wenn jemand schönheitsmäßig so autark sein kann! Die Creme-Entwöhnung war ja schon radikal und mutig!
Nessa
am Dienstag, 04. März 2014 um 10:42 Uhr
...ob ich meine Haut auchmal 2 Wochen von zuviel Creme entwöhnen soll? Hm. Nachdenk..
am Dienstag, 04. März 2014 um 12:17 Uhr
Dass Lachen schön machen MUSS, ist eindeutig hier zu erkennen!
Und wie ansteckend es wirkt, die weit gereiste Katja auch einfach nur anzusehen!
Wow!
Tolle Frau, von der ich immer gern und gespannt höre, wie es ihr geht!
Danke für das Interview!
am Dienstag, 04. März 2014 um 12:57 Uhr
Was für eine Gute-Laune-Interview - und auch ich habe meine Gemeinsamkeiten mit Katja gefunden (Dauerwellen-Erfahrung, Lieblingsfarbe Rot ...). Und dass Lachen und Spaziergänge in schöner Umgebung prima sind, unterstreiche ich sofort!