Texterella persönlich.
Drei Damen in Karlsbad.
Meine Mutter ist in Prag geboren. Ihre frühe Kindheit hat sie aber in Mähren verbracht, woher meine Großeltern stammten. In einem Dorf namens Ulrichschlag, irgendwo in der Nähe der Stadt Neuhaus. Heute heißen die Ortschaften natürlich anders.
Seit Jahren sprechen wir darüber, einmal dorthin zu fahren, nach Südmähren … immer noch haben wir es nicht geschafft. Und das, obwohl die Geschichten, die mir meine Oma von dort erzählte, meine Kindheit sehr geprägt haben (und von denen ich heute wünschte, sie hätte mir noch viel mehr erzählt): von meinem Uropa etwa, der Förster bei einem Grafen war (das Bild einer Jagdgesellschaft aus den 1920er-Jahren hängt heute im Wohnzimmer meiner Eltern).
Von den Gänsen und Enten, die mit kleinen Kartoffelteig-Würsten gemästet wurden (aus demselben Teig bereitete meine Oma eine der Lieblingssüßspeisen meiner Kindheit zu: Erst wurden die „Würstchen“ in kochendem Wasser gesiedet und dann mit heißer Butter, gerösteten Semmelbröseln, Zimtzucker und Kompott serviert – gesund war’s nicht, aber sooooo lecker. Fand ich zumindest als Mädchen. Ob’s mir heute noch schmecken würde …?).
Von dem kleinen Annerl, das als jüngstes von elf (?) Geschwistern aufgewachsen war und in jungen Jahren fast an der Spanischen Grippe gestorben wäre (weswegen ich mich immer, immer, immer gegen Influenza impfen lasse). Und natürlich die Geschichten von der Vertreibung über Österreich nach Süddeutschland. Meine Mutter, sie war damals sechs Jahre alt, hatte sich zu allem noch das Bein gebrochen und wurde teilweise in einer Schubkarre transportiert (und das alles ohne meinen Großvater, der in Kriegsgefangenschaft war).
Holzhacken musste meine Oma, und – als gelernte Schneiderin – für die Bauern nähen, bei denen sie im Heustadel einquartiert waren. Harte Zeiten … mir kommen die Tränen, wenn ich daran denke, wie viele Menschen ihr Leben und ihre Heimat zurücklassen mussten. (Groll und Gram über diesen Verlust habe ich seitens meiner Großeltern aber nie verspürt – sie haben ihr Schicksal einfach angenommen und sich mit großer Resilienz ein neues Leben aufgebaut.)
Später dann, in den 60er- und 70er-Jahren, kam neben der DDR-Verwandtschaft (RentnerInnen durften ja ausreisen) auch Großtanten aus der „Tschechei“ zu Besuch (an Großonkel kann ich mich nicht erinnern, vielleicht waren dennoch welche dabei …). Eine dieser Großtanten hatte es nach dem Krieg wohl ins tschechische Bäderdreieck – Karlsbad, Marienbad, Franzensbad – verschlagen, sie brachte als Gastgeschenk zuckrige Karlsbader Oblaten und herben Becherovka mit (von dem meine Mutter behauptet, die Flasche stehe, dick angestaubt, immer noch irgendwo in unserem Keller herum, denn sie konnte den Kräuterlikör nie leiden). Die Namen der altehrwürdigen Kur- und Kaiserbäder hinterm eisernen Vorhang waren also schon in meiner Kindheit präsent.
Sonderlich interessiert haben sie mich aber trotz familiärer Verbindungen nicht. Kurbäder … das war ja etwas für ältere Herrschaften. Bis ich – einer zufälligen Foto-Einblendung auf Instagram geschuldet – vor zwei Jahren mit Fotografin Martina erstmals in Karlsbad landete, um dort Frühlingsmode zu fotografieren. Wir hatten April, das Wetter war regnerisch und kalt, die Bäume noch ohne Blüten und Blätter. Überhaupt verspürten wir eine seltsam trübe Stimmung – vermutlich, weil die russischen Touristen wegen des Ukraine-Krieges ausgeblieben waren.
Und trotzdem hat uns die Stadt gleich verzaubert! Diese wunderschönen stuckverzierten Häuser, die die Promenade säumten! Eingebettet in die hügelige Landschaft der Eger-Region. Noch malerischer geht es kaum.
Und so bin ich zwei Jahre später mit meiner Mutter und mit meiner Tochter wieder hingefahren – nach Karlovy Vary. Eine Mini-Reise auf den Spuren unserer Familie (bis wir es dann vielleicht irgendwann auch nach Mähren schaffen). Und diesmal passten auch Wetter und Laune (der Stadt. Unsere war ohnehin bestens). Statt in einer Ferienwohnung habe ich uns (wenn schon, denn schon) allerdings im Grandhotel Pupp einquartiert, das seinem Namen wirklich alle Ehre macht (und in dem auch Teile von „James Bond – Casino Royale“ gedreht wurden.. Ein wirklich prunkvolles Hotel – aber ohne geschmacklosen Pomp. Wir wohnten residierten im älteren Teil des Hotels, der „Parkside“. Das Gebäude geht aufs Jahr 1701 zurück, die „Riverside“ ist etwas jünger.
Kurz: Wir drei Damen haben es uns die zweieinhalb Tage richtig schön gemacht und unsere Gesellschaft sehr genossen. Ich freue mich immer wieder darüber, wie gut sich Oma und Enkelin verstehen und wie viel sie sich zu sagen und zu erzählen haben. Der Innenstadtkern von Karlsbad ist überschaubar, man kann dort auch mit älteren Damen gut bummeln, zumal meine Mutter sich auch mit ihren 85 Jahren immer noch für Mode, Schmuck und Ähnliches interessiert.
Nun ist der Reisebericht eher zu einem Blick in meine Familiengeschichte geworden – seht es mir nach. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass die eine oder andere Texterella-Leserin eine ganz ähnliche Geschichte hat.
Ein paar Reisetipps habe ich dennoch für dich:
→ Preisgünstig sind die Grandhotel-Zimmerchen nicht unbedingt, man kann es sich denken. Aber mit etwas Glück, Flexibilität und Vorlauf kann man sie bei manchen Reiseanbietern auch deutlich günstiger finden. (Ich habe das allerdings erst gemerkt, als ich unsere Zimmer bereits zur Standardrate reserviert hatte. ;-))
→ „Parkside“ ist der ältere Teil des Hotels, und einen Hauch günstiger als das noch ein wenig prunkvollere „Riverside“ (wobei ich die Zimmer nicht gesehen habe). Bei der Zimmerwahl würde ich auf jeden Fall „Frontview“ mit Blick auf die Stadt empfehlen, bei „Forestview“ schaut man auf den bewaldeten Anstieg hinterm Hotel, das ist ein bisschen düster.
→ Im Grandrestaurant kann man sehr gut (und zu relativ moderaten Preisen) essen, die Auswahl an vegetarischen Gerichten ist aber eher klein. Unbedingt rechtzeitig reservieren. (Wem zwischendrin mal nach Pizza ist, dem kann ich die Pizzaria La Famiglia sehr empfehlen. Dort habe ich übrigens zum ersten Mal eine Pizza-Schere verwendet – was für ein praktisches Teil.)
→ Lust auf Kaffee und Kuchen? Das Café Elefant ist ein Muss und die Kuchen nicht nur optisch ein großer Genuss (die „Pavlova“! Mhmmmmm!). Aber auch das Café im Pupp ist definitiv einen Besuch wert.
→ Kleiner Ausflug gefällig? Mit der Seilbahn erreicht man schnell und komfortabel den „Diana“-Turm auf einem der umliegenden Hügel (hinauflaufen geht natürlich auch!) und kann von dort die fantastische Aussicht auf Land und Stadt genießen. Bergab sind wir in der Mittelstation „Hirschensprung“ ausgestiegen und die restliche Strecke zur Stadt zu Fuß gegangen. Belohnt wurden wir mit einem grandiosen Blick über die Dächer Karlsbads! Ganz große Empfehlung!
Wer von meinen Leserinnen war denn schon mal in Karlsbad? Oder in Marienbad? Und wer hat sonst noch Vorfahren in Tschechien?
Und sonst so?
→ Meine Lesungen gehen in die Sommerpause, ab September geht es dann wieder weiter. Noch sind nicht alle Termine fix, aber ich lese auf jeden Fall in Usedom, Nordrhein-Westfalen und Baden-Würtemberg. In Bayern sowieso. Die aktuellen Termine findest du hier.
→ Ja, die Mode ist in letzter Zeit ein wenig zu kurz gekommen. Aber ab nächstem, spätestens übernächstem Sonntag ändert sich das wieder! (Dann ist Martina nämlich wieder von ihren Reisen zurück.) Bis dahin findest du hier meine kuratierten Lieblingsstücke und hier meine Looks zum Nachstylen und Nachshoppen (du kannst meinen Account auf LTK auch abonnieren, dann bekommst du eine Nachricht, wenn ich einen neuen Look hochlade).
→ Und dann … bin ich auch noch im Fernsehen. In „Wir in Bayern“ im Bayerischen Rundfunk. Am 26. Mai. Um 16.15 Uhr. Mir ist jetzt schon Angst. ;-)