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Loslassen ist nicht meine Stärke.

Immer wieder lese ich von Frauen, die zweimal im Jahr ihren Kleiderschrank ausmisten. Alles, was ein Jahr lang nicht getragen wurde, kommt weg. Alles, was nicht mehr passt, landet in der Kleidersammlung. Alles, was nicht mehr gefällt, gleich hinterher. 

Ich bin dann immer ein bisschen neidisch, denn ich bin anders. Mir fällt Loslassen schwer.

Da ist die Bluse, die trug ich ... damals, du weißt schon. Sicher, sie ist zehn Kilo kleiner als ich ... aber vielleicht passt sie ja irgendwann wieder. Dort, der Hosenanzug von Max Mara, nur ein paar Mal getragen, dann ist er leider geschrumpft. Den kann ich doch nicht einfach weggeben?! Was kann er dafür, dass er nicht mehr passt? Oder das Brautkleid, im Keller. Nur einmal getragen ... vor einem Vierteljahrhundert. Das Shirt vom ersten Urlaub an der See, der Pulli, der mich in Schottland wärmte, die (mittlerweile löchrige) Stola, die ich mir in Siena kaufte, als ich zum ersten Mal schwanger war. Alles wegschmeißen, weggeben, auf Ebay versteigern? Das kann ich nicht! Ich hänge an Dingen.

Weil sie mich erinnern. Weil sie einen persönlichen Wert für mich haben. Weil ich die Erinnerungen mag, die ich mit ihnen verbinde. Die vielen Bücher im Regal aus fünf Lebensjahrzehnten, die Schneekugeln aus unterschiedlichen Orten, die Muscheln von vielen Reisen an die See, der kleine Schnick und Schnack, ja selbst der Krempel, der sich in einem 52-jährigen Leben ansammelt. Ich kann das nicht einfach zum Restmüll geben. Auch wenn ich mir meine Regale manchmal leerer wünsche. Und meinen Keller auch.

Loslassen mag frei machen. Es hinterlässt aber auch eine Lücke.

Dann sind da auch die Menschen, die für eine längere oder kürzere Weile in meinem Leben waren. Die jetzt andere Wege gehen, sich verändert haben oder sich plötzlich distanzieren, warum auch immer. Ja, manchmal möchte ich sie „loslassen“, die Türe zwischen uns schließen, "Tschüss" sagen – und nicht „Auf Wiedersehen!“. Ich möchte einen wirklichen Schnitt machen, und dann tue ich es doch nicht. Weil Vergangenheit verbindet. 

Am nächsten Montag aber werde ich loslassen müssen. Dann wird Töchterlein ihren Rucksack packen, die Bordkarte ausdrucken, sich kurz vor dem Sicherheitscheck noch einmal umdrehen, um mich zu drücken. Und dann geht sie dahin, in ihr junges Erwachsenenleben – und für acht Monate nach Südamerika. „Mama, ich komme ja wieder!“ wird sie sagen. Und ich werde nicken und ihr nachwinken, mit Tränen in den Augen und mit Stolz über ihren Mut im Herzen. Ja, nun nutzt sie die Flügel, die wir ihr gegeben haben.

Aber warum ist Loslassen trotzdem nur so schwer?

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3595 8 Texterella persönlich., 50+ Lifestyle 25.10.2018   die neue freiheit, gedanken, kinder, loslassen, texterella persönlich

8 Kommentare

Gabi
am Donnerstag, 25. Oktober 2018 um 08:27 Uhr

Liebe Susanne
ich kann mich Deinen Gedanken nur anschließen. An Dingen und Gegenständen hänge ich nicht so. An Menschen und Gewohnheiten. Loslassen ist mir ein Graus, auch wenn ich schon lange weiß, daß es manchmal sein muss. Bei Kindern ist das sicher noch einmal schwieriger. Als ich damals von zu Hause wegging hat sich meine Mama die Augen ausgeweint - aber ich bin ja wieder sehr nah zurückgekommen. Damals habe ich auch nur an mich gedacht, nicht daran wie sie sich fühlte. Liebe Grüße Gabi

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Petra
am Donnerstag, 25. Oktober 2018 um 08:35 Uhr

Hallo meine Liebe,

ja, das kenne ich. Mir ging es genau so, bis ich gezwungen wurde, buchstäblich alles loszulassen. Bei meiner Trennung verließ ich das Haus überstürzt mit nur einem Koffer. Der Scheidungskrieg war heftig und (zu) teuer (für mich). Ich musste loslassen…alle Fotos meiner geliebten Kinder (die waren zu dem Zeitpunkt schon außer Haus), gemeinsam erworbene Möbel, das Haus, den Garten, geliebte Kleinigkeiten (Selbstgebasteltes meiner Kinder, darunter Geburtstagsgeschenke….). Es war sehr schmerzhaft.
Aber dann sagte ich mir: ich trage all das in meinem Herzen, ich brauche das Materielle nicht….und seitdem kann ich ganz wunderbar loslassen, ich fühle mich frei und glücklich dabei, nur das zu besitzen, was ich wirklich brauche…., und mir dann auch wieder mal neue Stücke mit Potenzial zu (zeitlich begrenzten) Lieblingsteilen….
LG Petra
PS: ich bin inzwischen so was von unglaublich glücklich zum 2. Mal verheiratet, das hätte ich mir im Traum nicht vorstellen können. Ohne Loslassen wär das NIEMALS passiert…..

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Ulla
am Donnerstag, 25. Oktober 2018 um 11:26 Uhr

“LoLa und ihre Schwestern” nenne ich die Abwehrtruppe gegen das Ausmisten und Wegwerfen. Doch lassen sie sich inzwischen auf Deals ein. Bevor ein neues Teil gekauft oder angeschafft wird, werden mindestens zwei Teile entsorgt.  Erst unlängst habe ich mich in einen Entsorgungsrausch sortiert. Aussortiert. Die Diakonie in Hamburg ist so nett, dass, wenn nur genug Kleidung und genug Bücher/CDs, DVDs zusammenkommen, das Stückgut abzuholen. Wunderbar. Zehn Kisten mit Büchern, sechs Säcke mit Kleidung werden nun im Seond Hand Laden am Rathausmarkt auf die Suche nahc neuen Besitzerinnen gehen - und die Bücher gesellen sich zu den in anderen Haushalten aussortierten Exemplaren im Antiquariat. Das war/ist so befreiend: Ich könnt schon wieder!  :-)

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Nicole
am Donnerstag, 25. Oktober 2018 um 15:09 Uhr

Liebe Susanne,
Bei Kleidung kenne ich das Problem zu gut. Obwohl ich mir eine Fee wünschte, die käme, den Schrank aus- und mit wunderschönen, passenden Dingen wieder einräumt. 
Bei Menschen habe ich hart gelernt, dass es manchmal besser ist, loszulassen und bei den Kindern? Hart, aber ich wünsche ihnen so sehr eine schöne Entwicklung, dass ich hoffe, dass sie mit ihren Flügeln stets gern zurückkommen (aber ich habe bei jedem Abschied eine kleine Träne im Auge). Es fängt jetzt aber auch wieder eine andere Zeit an und das kann auch schön sein. Also: sie kommt ja wieder und sei stolz, dass ihr sie so flügelig geschaffen hat, dass sie sich traut
Viele Grüße
Nicole

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Isi
am Donnerstag, 25. Oktober 2018 um 17:32 Uhr

Liebe Susanne!
Meine Söhne sind aus dem Haus. Der jüngere seid drei Jahren, der ältere schon 8 Jahre. Leider habe ich das Pech , das meine Jungs so sehr mit ihrem Leben beschäftigt sind , das für mich kaum Zeit bleibt.
Trennt sich die Freundin, bin ich für kurze Zeit wieder der rettende Anker.
Die Fragen meiner Freundinnen ,die auch erwachsene Töchter haben : Was machen deine Söhne?, kann ich kaum mehr ertragen. Ehrlich gesagt, ich kann nur sagen , ich denke es ist alles ok bei Ihnen.
Warum sind Söhne so? Warum erfreuen Töchter ihre Mütter viel häufiger mit der Nettigkeit eines Anrufs oder einer SMS?
Loslassen von materiellen Dingen ist für mich dagegen eine meiner leichtesten Übungen.

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Claudia
am Freitag, 26. Oktober 2018 um 09:55 Uhr
Ich habe auch 2 Söhne, melde mich einfach bei Ihnen wenn es mir danach ist. Besorge dem einen ein paar neue Zimmerpflanzen wenn die alten seinem fehlenden grünen Daumen zum Opfer gefallen sind und dem anderen bringe ich ein paar Feldsalatpflänzchen vorbei. Dabei ergeben sich auch nette Gespräche nebenbei. Falls möglich, frühstücken wir sonntags zusammen - mit dem einen Sohn, der 20 km weit entfernt wohnt, klappt das ca. 1-2 mal im Monat, mit dem anderen der 200 km weit weg wohnt, ca. 1 Mal in 2 Monaten. Sie melden sich aber auch unregelmäßig.

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Biggi
am Montag, 29. Oktober 2018 um 11:35 Uhr

Ach Susi, ich versteh dich so gut.

Als Tochter1 für ein Jahr nach Argentinien ging, bin ich in meinen Tränen fast ertrunken. Bis ich Nachricht von ihr hatte und wusste, sie hatte es gut angetroffen, es ging ihr gut.

Als Tochter2 mit 15 Jahren für ein Jahr nach Costa Rica ging, war es genauso, vielleicht sogar noch schlimmer. Schließlich war das meine Kleine, die ich da gehen ließ.

Erst als Tochter 1 dann später ganz auszog, um mehr als 400 km entfernt von uns in HH ihr Studium zu beginnen, da hab ich den Blick meiner Mutter verstanden, in jener Nacht, als ich mich von ihr verabschiedete, um vom Niederrhein nach Göttingen zum Studium zu ziehen. Ich war so voller Vorfreude, aber sie schaute so traurig. Damals hab ich nur gedacht: warum freut sie sich nicht mit mir? Aber als ich selbst die Mutter war, wusste ich: Sie hat sich gefreut. Aber manchmal tut es auch weh, sich für jemanden zu freuen. Weil das eben gleichzeitig bedeutet, dass man den anderen loslassen muss.
Ich wünsch deiner Tochter eine spannende und aufregende Zeit und dir sehr schnell die erlösende Nachricht: “Es geht mir gut Mama.” :-)

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Susi
am Montag, 29. Oktober 2018 um 13:23 Uhr
Hallo liebe Biggi, ja, heute früh war es auch sehr tränenreich ... das kannte ich von den vorherigen Auslandsaufenthalten bzw. Abschieden gar nicht so. Aber die waren natürlich kürzer und auch irgendwie "organisierter" ... von daher hast du absolut Recht: Wenn ich erstmal weiß, dass es ihr gut geht und alles in Ordnung ist, wird es auch mir besser gehen. An und für sich finde ich es ja toll und bin auch ein bisschen neidisch! :-) Liebe Grüße, Susi.

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