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Frauen ab 50: Das Montagsinterview mit Barbara Bresser.

In meinem Bekannten- und Kolleginnenkreis gibt es viele interessante Menschen. Bunte, spannende, teils widersprüchliche Lebensläufe sind eher die Regel als die Ausnahme. Bei meinen Montagsinterviews bin ich immer wieder überrascht, selbst bei Frauen, die ich schon länger kenne.

Aber es gibt Frauen, die setzen noch eines drauf: Barbara Bresser ist so eine. Geboren in Krefeld, verließ sie nach dem Abitur mit Anfang 20 das Rheinland und landete via Düsseldorf und Berlin in Hamburg. Sie tourte durch die Welt, lebte in Mallorca, Barcelona, New York und Amsterdam, absolvierte eine Schneiderlehre. Doch das Modebusiness war nichts für sie: „Getreu dem Motto: ‚Wer nichts wird, wird Wirt’, bin ich in der Gastronomie gelandet und geblieben.“ Maitre D´ in New York, Hausdame im Edelbordell, Guest Relation Manager im Boutique-Golf-Hotel und eine eigene Cocktail-Bar waren aufregende Stationen in ihrer Karriere. Heute arbeitet sie als freiberufliche Dienstleisterin in der Gastronomie: „Man kann mich als Köchin für private Dinner mieten, ich berate die Gastronomie, gebe Weinseminare und Schulungen, entwickle Rezepte für Küchengeräte-Hersteller. Wichtig ist mir vor allem eines: meine Unabhängigkeit und Freiheit – ich will mir meine Kundenselbst aussuchen können.“

Barbara Bresser, 51

Barbara Bresser, 51. (Foto: Peter Bender shotbypete)

Was für eine spannende Frau ...!

Wie würdest du deine Einstellung zu Mode beschreiben? Hat sie sich im Laufe deines Lebens verändert?

Für mich war die Mode immer schon ein Spiel. Das begann als kleines Mädchen mit dem Verkleiden. Wir hatten zwei große Koffer voll mit Klamotten aus den 50ern, 60ern und 70zern und ich kann sagen, sie waren mein liebstes Spielzeug. Als Teenie war ich immer auf der Suche nach dem Besonderen und habe meiner Mutter so manches Mal ein Extra-Geld für ein abgefahrenes Teil aus der Edel-Boutique aus dem Kreuz geleiert oder habe stundenlang beim „Lumpie“ in alten, stinkigen Klamottenhaufen gewühlt. Die Secondhand-Schätze wurden gepimpt, gefärbt, bemalt oder bestickt und mit den Designerteilen kombiniert. Später wurde es cooler, ein wenig New wave, blondierte Haare mit kurzem Pony und immer riesige Accessoires. Aufsehen erregen war die oberste Prämisse.

Barbara Bresser, Barfrau

Die Barfrau. (1987)

Soviel Zeit wende ich heute nicht mehr auf und durch Kleidung auffallen ist nur noch sehr selten wichtig. Habe ich früher bedingungslos alles gekauft und getragen, was irgendwie schrill, sexy oder schräg war, so kaufe ich heute bewusster.

Es gibt einige wenige Läden, in denen ich ab und an mal vorbeischaue und wenn mir etwas gefällt und ich es brauche, dann kaufe ich es. Im Grunde gehe ich nie shoppen, bei mir passiert das so nebenbei, zwischen Café-Besuch und Lebensmitteleinkauf.

Der beiläufige Stellenwert, den Mode heute für mich hat, rührt sicherlich auch aus meiner Zeit in der Modebranche. In diesen fünf Jahren habe ich gelernt, dass hinter einem tollen Outfit nicht unbedingt ein toller Mensch steckt und die tagtägliche Beschäftigung mit dem Styling hat mich gelinde gesagt gelangweilt.

Im Grunde jedoch hat sich meine Einstellung zu Mode nicht verändert, ich mag das Spiel immer noch. Jedoch lehne ich den Stellenwert, den Kleidung in unserer Gesellschaft hat, ab. Trends, Must-haves und Menschen nach ihrer Kleidung zu beurteilen finde ich schrecklich.

Welche Stilrichtung bevorzugst du? Wie hat sich dein Geschmack im Laufe deines Lebens verändert? Hattest du modische Vorbilder?

Ich weiß gar nicht, ob ich einen Stil habe. In meinem Kleiderschrank findet sich von allem etwas. Anzug und Kostüm, kleines Schwarzes, Jeans und T-shirt und auch viele Vintage-Teile.

Barbara Bresser, 51, liebt Chucks ebenso wie Highheels

Mag Chucks ebenso wie Highheels! (2015)

Ich trage sowohl Chucks als auch 10cm-Highheels in lila Velvet. In meinen 20ern und 30ern habe ich vorwiegend schwarz getragen, so fühlte ich mich am coolsten. Seit meinen Jahren in Spanien trage ich mehr Farben, das ist so ziemlich das Einzige, was sich an meinem Geschmack geändert hat. Ich kleide mich meist so, wie ich mich fühle. Das kann sexy, elegant, gemütlich oder auch mal schlampig sein. Wenn ich müde bin oder schlechte Laune habe, gehe ich auch in Jogginghose einkaufen, auf St. Pauli darf man das. Mit modischen Vorbildern tu ich mich schwer, dass passt nicht zu meiner Vorstellung von Individualität. Es gibt schon Personen, deren modischen Stil ich toll finde, dass bedeutet aber nicht, dass ich versuche sie zu kopieren.

Hast ein Lieblingskleidungsstück?

Ich hänge mein Herz nicht an Dinge und kann sehr gut loslassen. Wenn man ein so unstetes Leben lebt wie ich, darf man kein Sammler sein, das macht unbeweglich. Ich bin ungefähr 25mal umgezogen und habe immer auch Kleidung zurückgelassen, meist habe ich die Klamotten verschenkt. Es gab ein einziges Kleidungsstück, unter dessen Verlust ich wirklich gelitten habe: Eine unglaublich schöne, geil geschnittene, perfekt passende, alte, dunkelgrüne Motorrad-Lederjacke, die man mir geklaut hat, da flossen Tränen.

Barbara Bresser

Wunderschön! (2000; Foto: Michael Holz Studio))

Wie hat sich deine Einstellung zu Schönheit und Aussehen in den letzten Jahren verändert? Inwieweit hat das Älterwerden damit zu tun?

Schönheit ist ein solch abstrakter Begriff und immer geprägt von den jeweiligen gesellschaftlichen Wertvorstellungen und Konventionen.

Ich mag ganz einfach Typen. Interessant und ein wenig gebrochen müssen Menschen sein, die ich schön finde. Toll ist auch, wenn Aussehen und Verhalten einen Wiederspruch bilden.

Über mein eigenes Aussehen mache ich mir wenig Gedanken. Ich mag mich leiden und man erinnert sich an mich, das reicht mir, und daran hat auch das Älterwerden nichts geändert.

Zur Kosmetik: Bist du eher der Wasser-und-Seife-Typ oder glaubst du an die Möglichkeiten moderner Produkte?

Bei mir hängt diese Entscheidung ganz klar vom Geldbeutel ab. Bin ich flüssig, dann darf es gerne die Serie einer Edelmarke sein, je mehr Tiegel desto besser. In knappen Zeiten verzichte ich darauf, außer bei der Haarpflege, da heißt es Qualität und das ganze Programm – eine recht teure Serie von Kerastase mit Shampoo, Spülung, Kurpflege und ein Schutzspray zum Föhnen.

Du bist auf Reisen und hast deine Waschbeutel vergessen. Zahnpasta und Seife gibt es im Hotel. Auf welche drei (Kosmetik-)Produkte kannst du keinesfalls verzichten und kaufst sie sofort ein?

* Mascara von Bobbi Brown,
* Augenbrauenpuder von Nyx, unbedingt mit Pinsel,
* Roter Lipliner von Chanel, den ich wie einen Lippenstift nutze.

Barbara Bresser auf St Pauli

Liebt das Lippenrot von Chanel! (2015)

Würdest du dich für die Schönheit unters Messer legen? Oder Botox, Filler etc. nutzen?

Ich weiß es nicht genau. Es gibt so viele Dinge, die mir wichtiger sind. Reisen, gut essen und trinken, Konzerte, Theater – das alles kostet Geld. Sagen wir mal so: Wäre ich so richtig reich, dann würde ich es wahrscheinlich tun und zum allerbesten Arzt gehen. Wenn man etwas machen lässt, muss es perfekt sein.

Barbara Bresser, 51

„Ich habe immer noch Flausen im Kopf!" (2015; Foto: Peter Bender shotbypete))

Hast du ein Schönheitsgeheimnis?

Zumindest nicht im Sinne irgendwelcher Routinen und Rituale, nie und immer, auch nicht bei der Schönheit.

Ich sehe am Besten aus, wenn ich Sonne plus Meer habe, einen liebevollen Kerl und viel Spaß.

Was ist für dich die größte Herausforderung am Älterwerden? Und die schönste Überraschung?

Ich beginne mal mit der Überraschung. Ich freue mich, dass ich immer noch Flausen im Kopf habe und über die Stränge schlage. Ich kann mich nach wie vor ereifern, aufregen und unbändig freuen. Nein ich bin nicht entspannter, gelassener und milder, und das ist gut so.

Die Herausforderung ist mir dieses Lebensgefühl zu erhalten und nicht dem gesellschaftlichen Druck des „Erwachsenwerdens“ zu erliegen.

Ich versuche zu reifen und trotzdem das Kind in mir zu erhalten.

Gibt es ein Mantra, das dich durch dein Leben begleitet?

„Lebe wild und gefährlich.“
(Arthur Schnitzler in einem Brief an Arthur Rimbaud)

Danke fürs Dabei sein, liebe Barbara – und für die vielen spannenden Gedanken zum Thema Älterwerden und trotzdem Jungbleiben! Und für die Flausen, sowieso! Ich habe mich in ganz vielen Aussagen wiedergefunden! :-)

***

Mehr spannende Interviews mit spannenden Frauen jenseits der 40 gibt es übrigens hinter diesem Klick.

10 Kommentare

Anke | Wohlfühlglück
am Montag, 30. November 2015 um 09:22 Uhr

Eine echte Montagsfreude - vielen Dank für die interessante Vorstellung euch zweien! Sehr sympathisch! Viele Grüße und einen schönen Start in die Woche, Anke | Wohlfühlglück

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Maria Al-Mana
am Montag, 30. November 2015 um 10:40 Uhr

Danke! Schon wieder eine Wissenslücke gefüllt… Ich wusste gar nicht, dass Schnitzler Kontakt zu Rimbaud hatte… Das Motto hat mich nämlich schon gestern bei Susis Ankündigung neugierig gemacht. Und das Interview passt 100% zu dem Zitat. Das ist so grandios! Und welcher Mut in solchen Lebensläufen wie dem von Barbara steckt, lässt sich nur erahnen. Sehr konkret ist dagegen das Mutmachen: Ja, man kann mit ü50 noch spannend, aufregend und wild sein. Ich kann gar nicht oft genug DANKE sagen. Für diese Perlen, die mir da Woche für Woche montags auf den Bildschirm kullern…
DANKE!
Maria

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Stefanie
am Montag, 30. November 2015 um 10:54 Uhr

Sehr schönes Interview! Alles gelesen - nicht nur gescannt - das passiert ja selten. Merci; Stefanie

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Barbara Bresser
am Montag, 30. November 2015 um 16:25 Uhr
Moin Steffi, das wäre doch auch für dich ein schönes Format. Vielleicht interviewt dich Susanne Ackstaller ja auch mal.

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Karin Austmeyer
am Montag, 30. November 2015 um 13:40 Uhr

Aufregende Frau und ein schönes Interview. Mit dir liebe Barbara würde ich zu gerne mal eine Nacht durchquatschen. Würde bestimmt Spaß machen.

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Barbara Bresser
am Montag, 30. November 2015 um 16:24 Uhr
Liebe Karin, melde dich solltest du mal in Hamburg sein.:-)

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Karin Austmeyer
am Montag, 07. Dezember 2015 um 11:07 Uhr
Liebe Barbara, meine Schwester und ich werden evtl. im nächsten Jahr nach Hamburg kommen. Ein Treffen und eine durchgequatschte Nacht mit dir wären toll. Wir melden uns bei dir. Liebe Grüße Karin

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Stephanie
am Montag, 30. November 2015 um 21:37 Uhr

Geboren in Krefeld! Ha! Das kann ja nur gut sein! liebe Grüße von eben da! Stephanie

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Christina
am Dienstag, 01. Dezember 2015 um 20:56 Uhr

Mir gehts wie Karin Austmeyer….beim Lesen des Interviews bekam ich Lust, mit Barbara irgendwo beim Kaffee zu sitzen, die Zeit zu vergessen und über Gott und die Welt zu reden. Über Höhen und Tiefen. Tolle Frau!

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Xeroa
am Dienstag, 01. Dezember 2015 um 22:40 Uhr

Schönes Interview, ich habe Barbara auch kurz auf der BLOGST kennengelernt. Wir kamen durch mein IPad mini ins Gespräch…seht nette Frau. Danke für das schöne Interview und die Bilder.

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