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Einfach leben. Oder: Warum weniger haben mehr Leben bedeutet.

Wenn ich auf die letzten Wochen und Monate zurückschaue, dann gehörte dieser Moment zu den glücklichsten: Nach fast zwei Jahrzehnten in einem Büro mit grünen (!!) Schrankfronten hatte ich es geschafft, mich nicht nur vom Frontenmonster zu befreien, sondern auch Ordnung in mein Bürochaos zu bringen. Tage-, nein: WOCHENlang war ich wie beschwipst von meinem neuen-alten Büro, so schön war es geworden. Natürlich schwor ich tausend Eide, dass ich es nie wieder so verkommen lassen würde! Ich wollte es hegen und pflegen, den Schreibtisch täglich aufräumen und nie wieder sollten Kartons im Büro rumkullern, geschweige denn auf dem ererbten Perser-Teppich liegen. Ich wollte es so schön und luftig und champagnerlaunig behalten, mein Homeoffice, nie wieder sollte sich dort Chaos breit machen. Es sollte das schönste und charmanteste Büro ever bleiben! EHRENWORT!

Nunja, den Wert der Ehrenworte kennt man ja von unseren Politikern ... und es kam, wie es kommen musste: Hier mal ein kleiner Stapel, dort ein paar winzige Kartönchen, im Eck ein beginnendes Chaos ... Immer noch fühlte ich mich wohl und liebte mein Büro, aber ... die Champagnerlaune war verflogen. Neidvoll blickte ich auf Irits Minimalismus-Postings: Weniger ist mehr. Mehr Wohlfühlen, mehr Lebensqualität. Ach, warum nur war mir das Minimalismus-Gen nicht gegeben! Warum nur war ich die Chaosqueen?

Tja, mein Stoßgebet war wohl erhört worden, denn am nächsten Tag fand ich im Bücherregal das Buch „Einfach leben. Der Guide für einen minimalistischen Lebensstil.“ von Lina Jachmann. Dort hatte es schon ein paar Monate verbracht, verdeckt von andere Büchern. Q.E.D. Aber jetzt ... jetzt war seine Zeit gekommen! Nun war Minimalismus natürlich nicht dasselbe wie Ordnung und Aufräumen, aber doch ein Teil davon. Begierig blätterte ich zum Inhaltsverzeichnis: „Minimalismus & Wohnen“, „Minimalismus & Mode“, „Minimalismus & Köper“ und „Minimalismus & Lifestyle“ – wow, was für ein Rundumschlag. Und vorweg das Motto „Collect moments, not things!“ Muss man sich in ein solches Buch nicht sofort verlieben? Doch, muss man.

Minimalistischer Lebensstil – Inspirationen!

Das Buch ist ein Guide zum Weniger. Keine 10-Schritte-Anleitung, sondern pure Inspiration. Gespickt mit spannenden Tipps, Links und Anleitungen. Es geht ums Aufräumen, Selbermachen, Müll vermeiden. Weniger haben, mehr leben! Ob selbstgemachter Orangen-Essigreiniger, Hinweise für Zero-Waste, Naturkosmetik oder One-Pot-Rezepten, für die man (wie der Name schon sagt) nur einen Topf braucht, ob Capsule-Garderobe, Sport und saisonales Essen ... in „Einfach leben“ gibt es wirklich für jede Lebenslage einen Minimalismus-Tipp. Sogar bei etwas delikateren Fragen wie Monatshygiene und ... Kondome (ha, dazu würdest du jetzt sicher gerne mehr wissen – aber ey, ich bin doch kein Spoiler!). Ach, und wusstest du, dass man aus Kastanien Waschmittel und aus Roggenmehl Shampoo herstellen kann?

Was „Einfach Leben“ mit mir gemacht hat:

Kastanienwaschmittel und Orangenreiniger werde ich wohl eher nicht nicht selber herstellen – auch wenn ich Menschen bewundere, die genau das tun! Aber das Buch hat mir mal wieder unter die Nase gerieben, dass mein doch eher konsumorientierter Stil nicht glücklich macht. Das ist wahrlich keine neue Erkenntnis, aber eine, die zumindest ich immer wieder vergesse. Sicher, der Moment, in dem man ein Teil in den Warenkorb schiebt, kickt. Und wenn der Postbote klingelt, auch. Aber dann ist das neue Dings ausgepackt und wandert in die obervollen Schränke. Und das war’s dann auch schon.

„Einfacher leben“ zeigt in vielen Interviews und schönen Bildstrecken, wie charmant auch ein reduzierter Lebensstil aussehen kann. Kein bisschen karg, sondern geschmackvoll und stylish. Darauf hat mir das Buch Lust gemacht. Mal schauen, ob und was ich davon umsetze.

Ach, ein Aufräumtipp ist noch hängengeblieben: Alles, was man innerhalb einer Minute aufräumen kann, sofort erledigen! Und den Minimalismus-Monat (jeden Tag eine kleine Minimalismus-Challenge!), den ich will auch ausprobieren. Ob ich es allerdings schaffen werde, meinen Schreibtisch abends sauber, ordentlich und aufgeräumt zu kriegen ... das wage ich jetzt schon zu bezweifeln. Warum nur ist dieser „Clean Desk“ für mich so schwer?

Kaufen?

So, und jetzt kommt’s: Konsequenterweise kann ich dir nicht empfehlen, dieses Buch zu kaufen. Aber vielleicht kann man es ja auch in einer Bibliothek ausleihen. Oder du kaufst es gebraucht. Oder neu und gibst es dann weiter. Such dir einfach etwas davon aus. Aber lies es!

Einfach Leben. Ein Guide für einen minimalistischen Lebensstil.*
Von Lina Jachmann.
Knesebeck-Verlag, 2017.
24,95 Euro

*Affiliate-Link

5344 2 Texterella liest., 50+ Lifestyle 16.06.2017   buchrezension, einfaches leben, leben, minimalismus, nachhaltigkeit, reduzierter lebensstil, review

2 Kommentare

Susanne
am Freitag, 16. Juni 2017 um 09:37 Uhr

Wie gut, dass ich mit dem Schreibtisch-Problem nicht alleine da stehe. Wobei: Für mich hat das Ganze eine Ordnung.

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Andrea
am Freitag, 16. Juni 2017 um 13:07 Uhr

Hallo Susi,
wieder einmal toll geschrieben ! Nach meinen Umzug von Solingen nach Emden habe ich mir auch geschworen, keinen überladenen Schreibtisch, alles sofort sortieren usw. Also mein Schreibtisch da habe ich Wort gehalten, alles steht jetzt auf einen Nebentisch von meinen Schreibtisch, grummel. Ich bin auch eine Chaosqueen und ich räume alles go gut weg, das ich nichts wiederfinde. Die Hälfte meines Lebens verbringe ich mit suchen von Gegenständen. Der Minimalistischer Lebensstil ist nicht meins. Ich liebe mein Chaos, denn sonst hätte ich ja nichts zu meckern :-)und man findet immer so tolle Dinge wieder, da freue ich mich wie ein Kind :-)

Liebe Grüße
Andrea

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